Das Franziskanermuseum ist bekannt für seine stadtgeschichtlichen, archäologischen und volkskundlichen Sammlungen, doch besitzt es auch einige interessante Zeugnisse der Waffenkunst. Nur ein Teil der recht beachtlichen Blankwaffensammlung ist öffentlich ausgestellt, ein anderer Teil wird für die Öffentlichkeit unzugänglich in den Depots verwahrt. Manche dieser Stücke erzählen spannende Geschichten, die aus ihnen weit mehr machen als reine Mordwerkzeuge.

Zeitlich erstreckt sich die Waffensammlung über mehrere Jahrhunderte, vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Die Stücke stammen aus verschiedenen Kontexten und aus den Händen verschiedener Sammler. Einer der wichtigsten Zuträger war Fidel Hirt, Diener im Alten Rathaus, der offenbar nicht nur eine Vorliebe für Folterinstrumente, sondern auch für Hieb- und Stichwaffen hatte. Andere Stücke brachte der gebürtige Villinger Robert Bichweiler, ein in Freiburg lebender Architekt, in die Sammlung ein. Er verkaufte seiner Heimatstadt im Jahr 1913 über 230 Gegenstände, darunter Uhren, Zinnobjekte und „Waffen aller Art“.

Säbelklinge mit Darstellung eines Pandurs und Losung „Vivat Pandur“

Den Großteil der Sammlung bilden Jagdwaffen des 18. und 19. Jahrhunderts. Interessant werden sie zum Teil erst durch ihre Inschriften und Gravuren. Ein eher unscheinbarer Jagdsäbel aus der Zeit um 1760 zeigt bei näherer Betrachtung eine wilde Gestalt mit dem Spruch „Vivat Pandur“. Er verweist in die kriegerische Zeit der Habsburgermonarchie, als man Osteuropäer als Streitkräfte unter anderem gegen die Franzosen anwarb. Diese zunächst wegen ihrer Fremdheit gefürchteten „Panduren“ verdienten sich bald solchen Respekt, dass der Ruf „Vivat Pandur“ („Es lebe der Pandur“) zu einer beliebten Losung im ganzen Habsburgerreich wurde.

Neben den Jagdwaffen bilden Stangenwaffen der Frühneuzeit den zweiten Schwerpunkt. Unter diesen fallen zwei etwa 2 Meter lange Sensen auf, die wie gewöhnliches bäuerliches Gerät aussähen, wäre da nicht dieser Reißhaken an ihrer Rückseite. Bei ihnen handelt es sich um typische Bauernwaffen, wie sie von Aufständischen etwa im Bauernkrieg oder in den Revolutionsunruhen des 19. Jahrhunderts gefertigt wurden. Man hatte keine eigenen Waffen, also baute man das Werkzeug um, mit dem man täglich umging. Zu den rein von ihren Ausmaßen eindrucksvollsten Stangenwaffen zählt ein Knebelspieß aus der Zeit um 1500, ein wuchtiges Gerät mit einer Klingenlänge von 60 cm. Offenbar war eine der Schaftfedern, die die Klinge fixieren sollten, einst gebrochen und wurde notdürftig mit Eisen geflickt. Ihre späteren Sammler gingen noch weniger glimpflich mit der Waffe um. Zur besseren Aufbewahrung wurde der Schaft kurzerhand abgesägt – ein Schicksal, das andere Stangenwaffen teilten. In ihrer vollen Pracht zeigen sich hingegen bis heute die Hellebarden des 16. und 17. Jahrhunderts, gefürchtete Kriegsgeräte der Infanterie, mit denen sowohl gestochen, als auch gehauen werden konnte.

Stangenwaffen im Museumsdepot, rechts eine Hellebarde des 17. Jh.

Doch Vorsicht: Nicht alle Hellebarden sind wirklich so alt, wie sie vorgeben zu sein. So ist inzwischen bekannt, dass die angebliche „Romäus-Hellebarde“, die Fidel Hirt in die Altertümersammlung einbrachte, nichts mit dem legendären Helden zu tun hat. Ihr plumper Stil macht sie für den Kampfgebrauch untauglich, und vermutlich wurde sie erst im späten 19. Jahrhundert, vielleicht als bewusste Fälschung, geschaffen.
Vorsicht ist auch bei manchen Inschriften gefragt. Stammt einer der Degen, die in der Dauerausstellung zu den Belagerungen der Barockzeit zu sehen sind, wirklich aus dem Jahr 1414, wie seine Klinge glauben lassen will? Die Zahl findet sich auf mindestens zwei weiteren Waffen aus dem Depot. Keine von ihnen wurde in dieser Zeit gefertigt, sie datieren alle aus späteren Jahrhunderten. Dasselbe gilt für einen Hirschfänger mit der Zahl „1513“ und einen Degen mit der Zahl „1507“. Welche Bedeutung hinter solchen „falschen Datierungen“ steckt, ist nicht restlos geklärt, doch stehen sie wohl wenigstens zum Teil mit der Kabbala, einer mystischen Strömung des Judentums, in Zusammenhang. Bei anderen Zahlen wird vermutet, dass sie auf historische Daten verweisen, deren Bedeutungen uns heute nicht mehr geläufig sind.

Degen mit magischer Inschrift „1414“

In die Reihe der „magischen Waffen“ gehört auch eine Talismanklinge mit merkwürdigen Zeichen, die vermutlich eine astrologische Bedeutung besaßen und ihren Träger vor Unheil schützen sollten. Zwischen den Symbolen taucht plötzlich der Kopf eines Türken mit charakteristischem Turban auf – Magie und Orientalismus gingen Hand in Hand, weil beides der Welt des Fremden angehörte.

Apropos fremd: Neben den europäischen Waffen finden sich auch ausgesprochen exotische Objekte, die zum Teil von ihren Sammlern selbst nicht als solche erkannt wurden. Eine „Saufeder mit Kugelgriff“ aus der Sammlung Bichweiler entpuppt sich etwa als indischer Wurfspeer. Ein Schwert, das auf den ersten Blick wie ein europäisches Ritterschwert aussieht, ist in Wahrheit ein „Takouba“ der Tuareg aus Westafrika. Besonders faszinierend ist ein Morgenstern, dessen eiserner Kopf in Form eines Gesichts mit zwei Hörnern gestaltet ist. Es handelt sich dabei um eine indo-persische Zeremonialkeule (Gorz) der Qajar-Dynastie. Der Gehörnte stellt einen Div dar, ein Ungeheuer aus der persischen Mythologie. Vermutlich erinnert die Darstellung an eine Erzählung aus dem „Königsbuch“ Schāhnāme, in der der Held Rostam den Anführer der Divs tötet und sein Haupt als Trophäe erbeutet.

Persische Zeremonialkeule „Gorz“

Mythen, Fälschungen, Geheimnisse: Die Blankwaffen in den Sammlungen der städtischen Museen haben mehr zu erzählen, als ihre martialischen Erscheinungen glauben lassen. Es lohnt sich, ihren Geschichten zu lauschen.


Zuerst veröffentlicht im Vereinsheft „Depesche“  Nr. 6 der Historischen Bürgerwehr und Trachtengruppe Villingen e.V.