Eines der ersten selbst entworfenen Gemälde von Albert Säger ist die „Gründung der Universität Freiburg“ von 1893. Das historische Ereignis, das ohne Zweifel einen glanzvollen Augenblick in der Stadtgeschichte Villingens darstellt, verlegte Säger in den Ratssaal des Alten Rathauses.

Albert Säger, Gründung der Universität Freiburg in Villingen, 1893, Franziskanermuseum

Es ist fast symmetrisch aufgebaut. An einem Tisch mit leuchtend blauer Tischdecke sitzt links der in der Schriftkartusche am unteren Bildrand genannte „Erzherzog Albrecht VI.“, kenntlich an den mit weißem Pelz verbrämten Ärmeln (Hermelin?), die seinen hohen Stand signalisieren. Am Tisch auf der rechten Seite sitzt wohl seine Gemahlin Mechthild mit Spitzhut und weißem Schleier, die gebildet und kunstsinnig gewesen sein soll. In ihr sahen frühere Historiker die treibende Kraft für die Gründung der Universität Freiburg, inzwischen ist das umstritten. Stehend links ist der ebenfalls genannte „Gelehrte Matthäus Hummel“ dargestellt, Sohn der Stadt Villingen und kenntlich an einem Buch in der Hand als Symbol der Wissenschaft. Der Ratssaal mit der Fassade zum Münsterplatz wurde erst in den 1530er Jahren im Ostbau eingerichtet. Er war 1537 vollendet (Datum auf dem Türsturz). 1455 tagte man noch im Westbau des Rathauses, dessen Fenster zur Rathausgasse gehen. Auch das Villinger Wappen wird so erst ab 1530 geführt. Es zeigt den roten Adler des neuen „gebesserten“ Wappens. Diese Geschichtskenntnisse sind zum Teil jüngeren Datums, vor allem die Ergebnisse der Bauuntersuchung durch Burghard Lohrum aus den 1990er Jahren. Säger konnte das nicht wissen. Irritierend ist dennoch der Blick aus dem geöffneten Fenster, aus dem man heute den Münsterturm sieht, hier aber einen Erker an einem Gebäude mit vielen Rundbogenfenstern, das höher ist als das Gebäude, in dem die Szene spielt. Sollte das ein Hinweis auf den romanischen Bau des Münsters sein?1 Zudem verwundert die einfache Komposition, die etwas ungelenke Darstellungsweise. Albert Säger hatte 1893 den Auftrag für dieses Gemälde von der Kommune erhalten. Das repräsentative und relativ große Gemälde sollte im Ratssaal selbst aufgehängt werden. Man fragt sich unwillkürlich, was ist das für ein Künstler gewesen, dem die Stadt diesen Auftrag erteilte? Welchen Beitrag hat er zur Kunstgeschichte Villingens, möglicherweise mit einer solchen Darstellung zur Stadtgeschichte, zur städischen Identität geleistet?

Albert Säger ist 1866 in eine Familie von Malern geboren. Vater und Großvater übten bereits dieses Metier aus. Säger ging zunächst bei seinem Vater in die Lehre und besuchte anschließend 1883/84 die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, um danach den Beruf des Dekorationsmalers auszuüben.

Albert Säger, Porträt Rudolf Säger, datiert 1904, Privatbesitz

Die Ausbildung dazu umfasste handwerkliche und künstlerische Aspekte. In einer Zeit des Umbruchs, der zunehmenden Industrialisierung und des schnellen Wandels versuchten die neu gegründeten Kunstgewerbeschulen, Handwerk und Kunst wieder stärker miteinander zu verbinden und das Niveau des Kunsthandwerks zu heben. Es sollte durch die Kunstgewerbeschulen und die mit ihnen geschaffenen Vorbildersammlungen ein Gegengewicht gegen die maschinelle Fertigung und den damit verbundenen ästhetischen Niedergang des Kunsthandwerks geschaffen werden. Als Säger sich in Karlsruhe weiterbildete, lernte er dort einige Professoren kennen, die später auch Aufträge in Villingen erhielten, so Karl Eyth und Hermann Götz. Vielleicht vermittelte Albert Säger diese Künstler und Kunsthandwerker nach Villingen und setzte damit auch „moderne“ Impulse für das lokale Kunsthandwerk. Vermutet werden kann dies beim Kunsthafner Johann Glatz, der um die Jahrhundertwende, nachdem er 1894/95 mit Götz am Prachtofen des Alten Rathauses zusammen gearbeitet hatte, Arbeiten von Elisabeth Schmidt-Pecht und Käthe Roman-Försterling bei sich in der Werkstatt ausführte. Sie waren Entwerferinnen aus dem Kreis der Karlsruher Kunst- und Kunstgewerbeszene. Säger selbst konnte nur dieses eine Wintersemester nutzen.

Der Auftrag der Stadt Villingen 1893 war wahrscheinlich als Motivation für einen jungen Künstler bzw. Handwerker gedacht. Erteilt wurde er im Zuge der Sanierung des Inneren und Äußeren des Alten Rathauses, das seit 1876 die Städtische Altertümersammlung beherbergte, also das erste Museum Villingens. Säger war gerade erst 27 Jahre alt. In Historienmalerei war er offenbar noch wenig geschult. Hier würde er bei einem weiteren Studienaufenthalt in den 1890er Jahren in München nochmals Entscheidendes hinzulernen. Die Historienmalerei hatte zu dieser Zeit ihren Höhepunkt bereits überschritten. Ein Zentrum der Historienmalerei war die Münchner Akademie der Bildenden Künste unter Carl von Piloty (1826-1886). Sie versuchte, historische Stoffe, deren genaue Umstände nicht bekannt waren, so realistisch und detailreich aufzufassen, dass der Betrachter sich tatsächlich „ein Bild machen“ konnte, also auch emotional berührt wurde.

Über die Gründung der Universität Freiburg in Villingen ist nicht viel überliefert, schon gar nicht der Ort der Begegnung von Albrecht VI. und Matthäus Hummel. Selbst der Zeitpunkt ist nicht so sicher, wie es die Bildunterschrift bei Säger suggeriert. Matthäus Hummel studierte ab 1441 in Heidelberg, machte dort 1443 einen ersten Abschluss, 1446 den Magister Artium, um 1454 in Pavia in Medizin, Recht und Theologie promoviert zu werden. 1455 kehrte er nach Heidelberg zurück. Im Anschluss soll er dann von Albrecht VI. den Auftrag zu den Vorbereitungen der Universitätsgründung erhalten haben. Casimir Bumiller legt den ersten Kontakt in das Jahr 14562. Gleichzeitig wurde in Villingen auch ein Teil der finanziellen Grundlage der neu einzurichtenden Bildungseinrichtung gelegt, indem bestimmt wurde, dass der Zehnt des Korns dafür abgegeben werden sollte. 1457 wurde zur Aufbewahrung dieser Kornabgabe in Villingen im Rietviertel die Zehntscheuer gebaut, heute das Zunftlokal der Narrozunft. Matthäus Hummel wurde 1460 Gründungsrektor der Freiburger Universität, und Villinger Bürgersöhne besuchten diese Alma Mater (pro Jahr durchschnittlich ein Student aus Villingen). Mit dem Gemälde wurde also ein bedeutendes Ereignis in Villingens Geschichte festgehalten, auf das in dieser vom Historismus gepägten Epoche um 1900 immer wieder verwiesen wurde.

Johann Glatz, Prachtofen im Alten Rathaus, nach dem Entwurf von Hermann Götz, datiert 1895, Franziskanermuseum

So nimmt der Prachtofen von Johann Glatz 1894/95, dessen inhaltliche Konzeption vom Karlsruher Kunstgewerbeprofessor Hermann Götz stammt, das Thema wieder auf. Er gestaltete die Begegnung aber mit einer größeren Gruppe stehender Personen in einem nicht näher definierten „Gemäuer“. Dies interpretiert das Geschehen demokratischer: Der Gelehrte und der Fürst sind gleichgestellt, nicht wie bei Säger deutlich hierarchisiert. Karl Eyth, ebenfalls Professor an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe, spielte mit den Inhalten der Rathausfassade 1895 ebenfalls darauf an. In einem Fries mit Profilbildnissen Villinger Künstler und Gelehrter ist Matthäus Hummel einer von vieren. Beim Festumzug 1899 anlässlich des 900-jährigen Jubiläums 900 Jahre des Markt-, Münz- und Zollrechts war ein Wagen dieser Szene gewidmet: Hermann Götz fungierte als künstlerischer Berater.

1897 kehrte Albert Säger – rechtzeitig für die umfangreichen Vorbereitungen der Stadt zum Jubiläum – von einem München-Aufenthalt zurück, wo er an der Akademie der Bildenden Künste studiert haben soll, gewiss aber Alte Meister in der Alten Pinakothek gesehen und kopiert hatte. Einige der Kopien sind noch erhalten und offenbaren – auch dem ungeübten Auge – seine Fortschritte in Zeichnung und Maltechnik.

Albert Säger, Madonna della Sedia, Kopie nach Raffael, datiert 1899, Franziskanermuseum

Der Festumzug gab Säger Arbeit, denn er malte die Kluissen für die Wagen. Diesem Umstand haben wir die etwas spöttisch gemeinte Bemerkung Hermann Alexander Neugarts zu verdanken, sie seien „sehr schön gmolt“ gewesen.

Albert Säger arbeitete 1901 nochmals an einem großen Zyklus im Stile der Historienmalerei. Für das Bürgerliche Brauhaus (später: Meyerhof) schuf er sieben Gemälde mit Höhepunkten aus Villingens Vergangenheit. Eines davon – wahrscheinlich der Einzug Kaiser Maximilians – hielt er für sein Hauptwerk. Es ist in starker Anlehnung an Hans Makarts „Einzug Kaiser Karls V.“ von 1878 entstanden. Darin und auch in der Supraporte mit der Bürgerwehr findet man einige Porträts seiner Villinger Zeitgenossen, die er wohl 1899 in ihren Kostümen für den Festumzug schon skizziert hatte, u.a. ein Selbstporträt und ein Porträt seines Vaters.

Albert Säger: Einzug Kaiser Maximilians, 1901, Franziskanermuseum

Gegen kompositorische und zeichnerische Schwächen ist Säger hier gefeit, denn er konnte sich ja an seinem Vorbild orientieren. Andererseits malte und skizzierte er in den nun folgenden 23 Jahren bis zu seinem Tod unentwegt und schuf ein umfangreiches Werk an Entwürfen und auch ausgeführten Gemälden, vor allem „nach der Natur“, was er ebenfalls bei seinem Studienaufenthalt in München gelernt hatte. In den letzten fünf Lebensjahren widmete er sich sogar nur noch seiner Kunst.

Die Leistung Sägers liegt nicht nur darin, „Geschichtsbilder“, Symbole für das städtische Selbstbewusstsein geschaffen zu haben, die bis heute präsent sind. Er war wohl auch Vermittler künstlerischer Impulse aus der Landeshauptstadt Karlsruhe und der Kunststadt München nach Villingen, die über sein eigenes Werk hinausgingen. So entdeckte das lokale Kunsthandwerk, vor allem die Kunsttöpferei Johann Glatz, die neuen Formen des Jugendstils für sich. Auch in der Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses war Säger erfolgreich. Sowohl Waldemar Flaig als auch Paul Hirt gingen zunächst bei ihm in die Lehre, um dann ihren eigenen Weg in die Moderne zu finden.

  1. Die Baugeschichte des Münsters in Villingen ist in der Tat etwas kompliziert und zur Zeit Sägers noch nicht so erforscht gewesen wie heute, wo man davon ausgeht, dass Ende des 13. Jahrhunderts der gotische Bau abgeschlossen war. ↩︎
  2. Geschichte der Stadt Villingen-Schwenningen Bd. I Mittelalter und Vormoderne, hrsg. v. Casimir Bumiller, Villingen-Schwenningen 2021, S. 341. ↩︎