Ein Stilmittel in der Ausstellung „Wie tickt Villingen-Schwenningen?“
Eine große Bilderwand für den Bürgerstolz
Bei der Suche nach Exponaten für die Ausstellung „Wie tickt Villingen-Schwenningen?“ entwickelten die Ausstellungsplaner die Idee, das Thema des Villinger Bürgerstolzes mit Gemälden aus der umfassenden Sammlung von Portraits zu visualisieren. Dies Portraitsammlung Villinger Bürger wird im Klimadepot des Franziskanermuseums auf insgesamt 22 Gitterwänden einer Zugregalanlage aufbewahrt. Es handelt sich bei den Dargestellten um Eheleute oder Einzelpersonen, deren gesellschaftliche Stellung und Vermögen es erlaubten, sich den Luxus der malerischen Verewigung zu leisten. Manche Portraits entstanden auch posthum, zum Andenken und zur Würdigung einer Person, meisten innerhalb des Familienkreises in Auftrag gegeben. Zu einem solchen Anlass ließ man sich im besten Gewand malen, wählte Attribute, die auf den Beruf oder die Stellung verweisen. Gemeinsam ist den Portraitierten, dass Ausdruck und Mimik in unterschiedlichster Form das Selbstbewusstsein und den Stolz vermitteln, sich diese Repräsentationsform leisten zu können. Ins Museum gelangten die Gemälde, indem sie entweder im Rahmen von Ankäufen aus privaten Sammlungen erworben bzw. übernommen wurden, oder von Nachfahren der dargestellten Personen ins Museum gebracht wurden. Auch bei der Neugestaltung öffentlicher Räumlichkeiten überflüssig gewordene Portraits der Wanddekoration wurden dem Museum zur Bewahrung übergeben. So verweisen die Provenienzen in den alten Inventarverzeichnissen unter anderem auf die Sammlung Spiegelhalder, die Bichweiler´sche Sammlung oder die Altertümersammlung.
Um den Eindruck des Bürgerstolzes weniger anhand ausgewählter Personen, sondern vielmehr durch Anzahl und Vielfältigkeit des Portraitbestandes zu zeigen, entstand die Idee, mittels einer ganzen Bilderwand eine einnehmende – fast überwältigende – Wirkung für den Betrachter zu erzielen. In dieser geballten Form steigert sich das Repräsentationsbedürfnis des einzelnen Bürgers zu einem Inbegriff für den Bürgerstolz der Stadt.
Die Salon- oder Petersburger Hängung
Die sogenannte Salonhängung bezeichnet die Gestaltung einer Wandfläche mittels dicht aneinander gereihter Gemälde. Der Begriff der Petersburger Hängung bezieht sich auf eine eben solch dichte Hängung in den Räumlichkeiten der Eremitage von St. Petersburg. Bei der Salonhängung wird die Wandfläche nicht nur in einer waagerechten Linie mit Gemälden bestückt, sondern breitet sich auf der gesamten Wandfläche bis unter die Decke und hinunter zur Sockelzone aus. Bekannt ist diese Form der Hängung seit der Spätrenaissance, als vermehrt Ölgemälde produziert und auch als Sammlerobjekt erworben wurden.
Foto von Eduard Hau – http://www.arthermitage.org/Edward-Petrovich-Hau/Interiors-of-the-New-Hermitage-The-Study-of-Italian-Art-3.html, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14092109
Der beabsichtigte Effekt dieser Hängungsform besteht darin, den Betrachter nicht mit einem einzelnen Werk, sondern mit der schieren Vielfalt und Größe aller gesammelter Werke zu beeindrucken. So ergibt sich durch das unterschiedliche Maß der einzelnen Bilder sowie ihrer verschieden Gestaltung in Form von Malstil und Rahmung ein neues, sehr großes Kunst- bzw. Dekorationselement der entsprechenden Wand. Der Betrachter nimmt zunächst das Muster wahr, welches sich aus den aneinandergehängten Rahmen und ihrer farbigen Inhalte ergibt, bevor ihm bestimmte Darstellungen und damit auch einzelne Bilder als solche innerhalb des bunten Konglomerats ins Auge fallen.
Nachdem im letzten Jahrhundert vor allem die Einzelhängung von Gemälden und damit die Fokussierung auf die Bedeutung des einzelnen Werks an sich gelenkt wurde, entdecken in den letzten Jahren immer mehr Museen die fast vergessene Salonhängung wieder. So können große Bestandsmengen gezeigt werden, wie in den zunehmend eingerichteten Schaudepots, die gerne in Um- oder Neubauphasen größerer Häuser angelegt werden, um eine vollständige Schließung wichtiger Abteilungen über längere Zeiträume zu vermeiden und dem Publikum den Kunstgenuss nicht vorzuenthalten.
Die Petersburger Hängung in der Ausstellung „Wie tickt VS?“
Und so kam die Anfrage an die Restaurierungsabteilung, wie sich aus den Beständen an Portraits im Franziskanermuseum auf einer Wand der Wechselausstellungsfläche eine solche Bilderwand verwirklichen ließe. Zunächst wurde eine Vorauswahl an geeigneten Portraits getroffen, die nach folgenden Kriterien ausgesucht wurden: die Dargestellten müssen selbstverständlich als Villinger Bürger ausgewiesen sein. Ihr Blick soll den darzustellenden Bürgerstolz wiedergeben. Die Portraits sollen unterschiedliche Formate und Rahmungen besitzen, und es sollen möglichst Vertreter aus unterschiedlichen Epochen dabei sein. Nach dieser inhaltlichen Auswahl wurden die Gemälde auf ihren Erhaltungszustand und damit ihre Ausstellungsfähigkeit geprüft, da größere restauratorische Maßnahmen im vorgegebenen Zeitrahmen nicht mehr durchführbar gewesen wären. Nur wer eine hohe Punktzahl in allen Anforderungsbereichen erhielt, wurde in die endgültige Auswahl aufgenommen. Zunächst wurden 17 Bilder in die Ausstellungsräume verbracht, wo zuerst eine Reihe mit dem üblichen Maß der Bildmitte in der Höhe von 1,55 Meter zusammengestellt und an die Wand montiert wurde. Von dieser Mitte aus wurden die weiteren Portraits auf der Fläche nach oben und unten zusammengepuzzelt und aneinandergesetzt. Eine besondere Herausforderung stellte dabei die Rundbogen-Nische im oberen Wandbereich dar, in welche die passenden Bildergrößen sorgfältig eingemessen werden mussten. Am Ende wurde eine verbliebene Lücke in der Ecke rechts unten durch zwei weitere Bilder aus dem Depot geschlossen, so dass sich nun insgesamt 19 Einzel- Ehepaar- und Familienportraits auf der Wand tummeln.
Tatkräftige Unterstützung bei der Umsetzung des Projekts
Zu Beginn der Hängung erwiesen sich nicht alle Portraits als ausgehfein. Vor allem Reinigungs- sowie kleinere Retuschierarbeiten mussten hier und da noch durchgeführt werden. Dafür wurde extra eine kleine mobile Restaurierungswerkstatt vor Ort eingerichtet. Dort durfte Sybille Fortuna, Studentin der Restaurierung an der Hochschule in Bern, und für zwei Monate zu Gast in den Städtischen Museen Villingen-Schwenningen, ihren Beitrag zum Ausstellungsaufbau leisten. Während Sie die Gemälde ausstellungsfähig machte, konnte das restliche Team die Bilder Stück für Stück an die Wand bringen.
Und so hat das Franziskanermuseum endlich einmal seine Portraits aus dem Depot geholt und mit dem Stilmittel einer Petersburger Hängung ein würdiges Gegenüber für die Vitrine mit den prachtvollen Exponaten des Münsterschatzes von Scheibenkreuz und Fürstenbergkelch geschaffen.