Villingen-Schwenningen ist überaus reich an archäologischen Fundplätzen. An vielen davon, darunter dem Schwenninger Gräberfeld ‚Auf der Lehr‘, ist die Forschung längst nicht abgeschlossen. VS hat auch die Besonderheit, einen sehr frühen Vertreter der archäologischen Zunft vorweisen zu können. Es ist der frühere Salinendirektor Friedrich von Alberti, der sich in seiner Freizeit der Erforschung der Ur- und Frühgeschichte verschrieb.
Alberti, Sohn eines in den Adelsstand erhobenen Offiziers, wurde 1795 in Stuttgart geboren und arbeitete nach dem Studium beim Bergkadettenkorps des Stuttgarter Militärinstitutes in Sulz am Neckar und in Jagstfeld als Geologe. 1822 wurde er von der württembergischen Regierung mit der Prospektion von Steinsalz bei Schwenningen beauftragt, wo er im folgenden Jahr fündig wurde. Die neu gegründete Saline Wilhelmshall, die die Frühindustrialisierung in Schwenningen einleitete, wurde unter seine Leitung gestellt und konnte durch gewinnbringenden Handel mit der Schweiz rasch prosperieren. Neben der Geologie galt Albertis Interesse in besonderem Maße der Altertumskunde. 1832 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des „Vereins zur Aufsuchung der Alterthümer in der Gegend von Rottweil“, in dessen Namen er archäologisch aktiv war.
Als Geologe und Salinendirektor brachte er wichtige fachliche Voraussetzungen für diese Tätigkeit mit, denn die Ausgrabungsmethoden der damals noch jungen Wissenschaft wurden vor allem aus dem Bergbau übernommen. Albertis Kenntnisse der Geologie prädestinierten ihn auch dazu, Grabhügel im Gelände zu erkennen. So fielen ihm auch die sechs Hügel auf der Schwenninger Möglingshöhe auf, deren konische Formen er als untypisch für Mergelböden empfand. Über ihre künstliche Entstehung war er sich schnell sicher, spekulierte zunächst darüber, ob sie Reste einer Befestigung sein könnten, verwarf diesen Gedanken wegen des fehlenden Zusammenhangs jedoch wieder. Bei einer oberflächlichen Begehung stachen ihm schließlich „kraterförmige Vertiefung[en]“ an vier der Hügel ins Auge, die er auf den Einsturz von Hohlräumen zurückführte. Aus heutiger Sicht beschreibt er hier die typischen Spuren nicht verfüllter Grabungstrichter, die durch frühere Raubgrabungen entstanden sein mussten.
Irgendwann zwischen 1822 und 1825 entschloss sich der Salinendirektor zur Öffnung eines Hügels. Von der Spitze aus legte er einen senkrechten, etwa 1,8 x 1,2 m breiten Schacht an, der ihn direkt zur Grabkammer führen sollte. Bereits nach wenigen Zentimetern fand er eine Holzkohleschicht, etwas tiefer dann zerdrückte Keramikscherben aus dunkelgrauem Ton mit rotbrauner Oberfläche. Neben den Resten dieses ehemaligen Gefäßes, „über [dessen] Form […] nichts bestimmtes angegeben werden“ konnte, lag ein menschlicher Schädel. Erst ca. 1,5 m darunter kam unter „heftige[m] Modergeruch“ der Rest des Körpers zum Vorschein. Dieser lag, vom delokalisierten Schädel abgesehen, offenbar unversehrt in seiner ursprünglichen Position in Ost-West-Orientierung. Als er das Gerippe anhob, zerfiel es in Stücke, die begannen, „auf der Oberfläche eine wallrathähnliche Fettigkeit zu erhalten, die sich nach und nach der ganzen Masse mitzutheilen schien“. Dennoch barg er die Fragmente und machte sie später einem Dr. Sturm in Trossingen zum Geschenk. In seinem Bericht hielt sich Alberti mit Interpretationen zurück und spekulierte nur vorsichtig über die Bestatteten: „Nach dem bis jetzt Aufgedeckten könnten sie […] von Deutschen in römischen Diensten herrühren, die in dieser Gegend stationirt [sic!] waren“.
Wegen „viele[r] Geschäfte“ war es Alberti nicht möglich, seine Forschungen fortzusetzen, und es sollte fast ein Jahrhundert dauern, bis die Möglingshöhe erneut zum Ziel wissenschaftlicher Grabungen wurde. Über die dortige Grabhügelgruppe, die inzwischen in das Landesgartenschaugelände integriert ist, ist bis heute wenig bekannt, auch wegen der zahlreichen unsachgemäßen Eingriffe und Plünderungen. Alberti trifft dabei jedoch wenig Schuld: Für seine Zeit ging er mit großer Sorgfalt vor, dokumentierte jeden Befund und bemühte sich um eine seriöse Einschätzung. Publiziert wurde die Grabung in den „Württembergischen Jahrbüchern für vaterländische Geschichte, Geographie, Statistik und Topographie“ des Jahres 1825.
Mit Albertis Namen verbindet sich eine weitere archäologische Entdeckung in Schwenningen, auch wenn er dieses Mal nur indirekt beteiligt war. Im Jahr 1837 stießen Arbeiter beim Torfstechen auf ein Depot römischer Silber- und Bronzemünzen des 3. Jh. n. Chr., die ihren Aussagen zufolge zusammengebacken und der Fundlage nach ursprünglich in Rollen verpackt waren. Wie Alberti auf den Fund aufmerksam wurde, wissen wir nicht, doch es gelang ihm, 168 Münzen für den ehemaligen „Verein zur Aufsuchung der Alterthümer“, der inzwischen „Archäologischer Verein“ hieß, zu bergen. Ob das alle gefundenen Stücke waren, darf bezweifelt werden. In seinem Bericht bemühte sich Alberti, den Fund in die bis dahin bekannte Frühgeschichte der Gegend einzuordnen, doch der Mangel an systematischen Grabungen machte sich deutlich bemerkbar. Neben einem kurzen Abriss der römischen Geschichte („Sie alle stammen aus einer wild bewegten Zeit, in welcher der römische Koloss gedrängt durch Barbaren seinem Untergange entgegeneilte […]“), blieb ihm nur übrig, sich über die Herkunft des Schatzes zu wundern: „Merkwürdig ist es, dass diese Münzen zu der Zeit beginnen, in welcher die Niederlassung bei Hochmauren […] schon zerstört war“.
1878 starb Alberti in Heilbronn. Vergessen ist er jedoch nicht, vor allem seiner Verdienste als Geologe wegen. Mehrere Fossilien, zwei Gesteinsschichten, Straßen und Fachzeitschriften sind nach ihm benannt, und wer sich besonders auf dem Gebiet der Paläntologie hervortut, erhält den mit 10.000 Euro dotierten Friedrich-von-Alberti-Preis. Dass er darüber hinaus der erste Archäologe auf dem Gebiet des heutigen Villingen-Schwenningen war, zeugt vom weiten Horizont dieses eifrigen Forschers.
Mehr zu Alberti gibt’s auf Wikipedia.
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