Von all den Entwicklungssprüngen, die die Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden geleistet hat, gehört die Entdeckung der Metallverarbeitung sicher zu den folgenreichsten. Sie ermöglichte nicht nur die Entwicklung von neuen Waffen und Werkzeugen (wie Schwertern), sondern führte durch die Kontrolle von Handelswegen und Rohstoffen auch zu einer sozialen Differenzierung, in deren Folge unter anderem die erste Hochkultur Europas entstand.

Wie sah die Gegend um das heutige Villingen-Schwenningen in der Zeit zwischen 2200 und 800 v. Chr. aus? Es sind bescheidene Spuren, die uns Einblick in diese fremde Welt geben – sie erzählen von weitgereisten Händlern, findigen Schmieden und geheimnisvollen Mooropfern.

High-Tech aus dem Orient

Die genauen Ursprünge der Metallurgie liegen noch immer im Dunkeln, doch vermutlich begann die Verarbeitung von Blei und Kupfer im vorderen Orient, wo erste Metallfunde aus der Zeit um 6000 v. Chr. stammen (Yarim Tepe, Tell Maghzaliyah). Von dort verbreiteten sich die neuen Kenntnisse nach Westen und lassen sich bereits im späten 6. Jt. v. Chr. in Südosteuropa nachweisen (Vinča-Kultur). Der nächste große Schritt in der Entwicklung der Metallurgie war die Erkenntnis, dass sich Kupfer und Zinn zu einer härteren Legierung verbinden ließen, die wesentlich belastbarer war und sich schärfer schleifen ließ: der Bronze. Auch hier erfolgte die Verbreitung von Ost nach West, wobei bis heute nicht ganz gesichert ist, wo die erste Bronzekultur entstand.

Bis das Know-How in unsere Breiten vorstieß, dauerte es jedenfalls noch etwas. Um 2300 v. Chr. ging aus den spätjungsteinzeitlichen Glockenbecher- und Schnurkeramikkulturen die Aunjetitzer Kultur hervor, die sich über weite Teile Ostdeutschlands und der angrenzenden Gebiete in Böhmen, Mähren, Schlesien, der Slowakei und Niederösterreichs erstreckte. Welch hohe Entwicklungsstufe diese Kultur bereits um 1600 v. Chr. erreicht hatte, machte 1999 der Fund der weltberühmten „Himmelsscheibe von Nebra“ deutlich – dem wohl bedeutendsten Bronzeobjekt überhaupt.

Die Himmelsscheibe von Nebra, ein Meisterwerk der Aunjetitzer Kultur (Foto: Dbachmann/Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Parallel zur Aunjetitzer Kultur entstanden in Süddeutschland mehrere frühbronzezeitliche Regionalgruppen, von denen die Oberrhein-Hochrheingruppe, die Adlerberggruppe, die Neckargruppe und die Singener Gruppe an unser Gebiet anschlossen. In Weilheim bei Tübingen errichteten Siedler einen über 4 Meter hohen, mit Flachreliefs verzierten Menhir, in Singen wurde eines der größten Gräberfelder Westdeutschlands angelegt. Die Bronzezeit hatte das heutige Baden-Württemberg erreicht.

Die Menschen lebten in Einzelgehöften, kleinen Weilern oder Dörfern, wobei sowohl Feuchtboden- als auch Höhensiedlungen und sogar Wohnhöhlen belegt sind. Eine typische Bauform ist das zwei- oder dreischiffige Langhaus mit Lehm- und Flechtwänden. Entsprechend der beginnenden Spezialisierung einzelner Berufsgruppen wurden vermutlich auch schon einzelne Hausfunktionen wie Vorrats-, Töpfer- oder Versammlungshäuser unterschieden.

Blühende Landschaften im Altsiedelland

Das Altsiedelland östlich der Buntsandsteinplatte bot gute Voraussetzungen für Ackerbau und Viehzucht, wie sie bereits in der vorangegangenen Jungsteinzeit betrieben wurden, und so zeichnet sich für die Baar eine relativ hohe Besiedlungsdichte ab. Zwar fehlen bislang Funde aus den frühesten Abschnitten der Bronzezeit, doch ab ca. 1600 v. Chr. finden sich Bronzegegenstände in Riedböhringen, Allmendshofen, Pfohren, Bad Dürrheim und zahlreichen weiteren Gemeinden rund um Villingen-Schwenningen. Während es sich hierbei um Einzelfunde handelt, liegen aus Aufen und Überauchen auch Nachweise von Gräbern vor.

Letzterer, direkt an VS angrenzender Fundort brachte eine außergewöhnliche Bestattung zutage: Bei der Anlage einer Holzabfuhrschneise im Jahr 1938 wurde ein mit Kalksteinplatten abgedecktes Kriegergrab gefunden, das neben einem Dolch, einem Beil, einem Gürtelbesatz und Nadeln auch ein Bündel von Widerhakenpfeilspitzen enthielt (heute im Museum Colombischlössle in Freiburg). Eine solch komplette Waffenausstattung ist selten. Von der zugehörigen Siedlung, die sich in unmittelbarer Nähe befand, liegen nur einige angeschwemmte Keramikscherben vor. Da sich zu dieser Zeit die neue Sitte durchzusetzen begann, die Toten unter großen Erd- oder Steinhügeln zu bestatten, spricht man nun von der „Hügelgräberbronzezeit“ (ca. 1600-1200 v. Chr.).

Grabausstattung aus Überauchen, 16.-14. Jh. v. Chr., Archäologisches Museum Colombischlössle (Foto: Axel Killian)

An der Quelle der Villinger Geschichte

Der älteste metallzeitliche Fund von der Gemarkung Villingens ist eine unscheinbare Gewandnadel mit kegelförmigem Kopf und Ritzverzierung aus der Zeit um 1500 – 1400 v. Chr., die 1946 südlich des Friedhofs auftauchte. Ein Jahr zuvor waren bei „Ausschürfungen“ mehrere Steinsetzungen zerstört worden, bei denen es sich wohl um nicht erkannte Gräber handelte. Die folgende „oberflächliche Schürfung“ erbrachte neben der erwähnten Nadel auch Keramik der Bronze- und der Späteisenzeit. 80 Meter südlich davon waren bereits im Jahr 1899 bei der Anlage des neuen Friedhofs zwei Fragmente eines Griffplattenschwertes vom Typ „Rixheim“ gefunden worden, das in die Zeit um 1300 – 1200 v. Chr. (Spätbronzezeit) datiert und – wie Brandspuren verrieten – wohl aus einem Brandgrab stammte. Mit diesen Funden wird die einzigartige Bedeutung jenes Areals deutlich, das die Villinger heute noch die „Altstadt“ nennen: Hier, in unmittelbarer Nähe der nach ihr benannten Quelle, lag eine der Keimzellen der Villinger Besiedlung, in der Jahrtausende später ein alamannisches Dorf entstehen sollte. Der Standort war verkehrsstategisch günstig gewählt. Im oberen Brigachtal kreuzen sich mehrere wichtige Land- und Wasserwege, die Anschluss an ein weitläufiges Fernverkehrsnetz boten. Dies war elementar wichtig, denn durch die ungleiche Verteilung von Erzlagerstätten wuchs mit zunehmendem Bedarf an Kupfer und Zinn auch die Abhängigkeit von Rohstofflieferanten. In diesem Kontext ist wohl auch einer der am weitesten gereisten Funde aus dieser Zeit zu sehen.

Ein Insulaner am Schwarzwaldrand

Aus dem Villinger Stadtgebiet sind zwei Funde von bronzenen Lanzenspitzen bekannt: Die eine wurde 1935 in einem Wasserleitungsgraben bei der Kutmühle entdeckt, die andere stammt aus der Sandgrube des Landwirts Riegger zwischen Villingen und Marbach und fällt durch ihre ungewöhnliche Form mit starkem Mittelgrat und seitlichen Ösen auf. Solche Lanzenspitzen vom Typ Enfield/Kergoustance, die ins 13. Jh. v. Chr. datieren, stammen aus England und sind nur in wenigen Beispielen auf dem kontinentaleuropäischen Festland vertreten – Villingen/Marbach ist dabei nicht nur einer der südlichsten Fundorte, sondern auch der einzige östlich des Schwarzwalds. In der weiteren Umgebung ist ein vergleichbares Exemplar aus dem Altrhein bei  Rheinmünster-Greffern bekannt. Wie auch immer der Exot so weit nach Süden kam, belegt er in jedem Fall weitläufige Kulturbeziehungen schon vor über 3000 Jahren und revidiert somit das lange vorherrschende Bild einer abgeschiedenen, dünn besiedelten Landschaft am Schwarzwaldrand.  Die Marbacher Lanzenspitze konnte jüngst vom Franziskanermuseum dank einer Förderung des Landes restauriert werden, womit der bedeutende Fund für künftige Generationen gesichert wurde.

Lanzenspitze vom „Typ Enfield“ aus VS-Marbach, Franziskanermuseum, Inv.nr. 14846

Recycling vor 3200 Jahren

Womöglich wurde auch ein weiteres Fundensemble absichtlich an einem Fernweg deponiert. Am Ostrand eines Gartens in der Friedrichstraße, etwa 200 Meter von der Eisenbahnüberführung in Richtung Schwenningen, entdeckte der Telegrafenbauaufseher Hogg Ende des 19. Jahrhunderts beim Graben eines Lochs für eine Telegrafenstange ein Bronzedepot, das neben einer gut gearbeiteten Lappenaxt und einem stark abgenutzten Hammer auch einige Fehlgüsse und Schrott enthielt, darunter Bruchstücke von Sicheln, Äxten, Armbändern und Gusskuchen. Ein frühgeschichtlicher „Müllsünder“ war hier aber nicht am Werk, vielmehr war der Hort sicherlich als Metalllager für das Recycling bestimmt, denn kostbares Altmetall konnte eingeschmolzen und wiederverwendet werden. Man könnte an das Arbeitsmaterial eines Schmieds denken, doch wahrscheinlicher ist, dass der wertvolle Hort einem wohlhabenden und einflussreichen Besitzer gehörte. Dass dieser offensichtlich nicht mehr dazu kam, sein Depot zu bergen, ist für uns ein Glücksfall, der wichtige Einblicke in den Wirtschaftskreislauf der Bronzezeit erlaubt. Auffällig ist, dass der Fund nur unweit der „Schelmengasse“ zutage trat, eines seit dem 15. Jahrhundert belegten Fernweges von der Baar über den Brogen ins Gutachtal – ein Weg, der vielleicht schon, wie Paul Revellio mutmaßte, in prähistorischer Zeit bekannt war. Mit dem Bronzedept, das in der Abteilung  „Mensch, Arbeit, Technik“ im Franziskanermuseum ausgestellt ist, befinden wir uns jedenfalls in einem neuen Zeitabschnitt, nämlich der Urnenfelderzeit (ab 1200 v. Chr.). Die Grabhügelsitte wurde allmählich aufgegeben, stattdessen wurden die Toten verbrannt und in Urnenfriedhöfen beigesetzt.

Depotfund von der Schwenninger Straße (Umzeichnung von Paul Revellio)

Opfer am Neckarursprung

Zwei weitere Hortfunde der Urnenfelderzeit, allerdings ganz anderer Art, sind aus Schwenningen bekannt. Der eine besteht aus drei Armringen mit Ritzverzierung, die wohl aus dem östlich-donauländischen Raum stammen und zu einer Frauentracht gehörten. Noch bemerkenswerter ist jedoch ein aus Griffzungenschwert, Lappenbeil und Lanzenspitze bestehendes Ensemble, das beim Torfstechen im Schwenninger Moos zutage kam und bei dem es sich wohl um den seltenen Beleg eines Weiheopfers am Neckarursprung handelt. Welche Vorstellungen sich mit der Opfergabe verbanden, ist völlig unbekannt. Ging es darum, göttliche Kräfte um ihren Beistand zu bitten? Erhoffte man sich Heilung, eine gute Ernte, ein glückliches Schicksal? Sicher ist, dass hier ein Mensch die kostbarsten Güter versenkte, die er besaß – eine Handlung, die sich nur erklären lässt, wenn er sich davon etwas noch Kostbareres erhoffte.

Dass sich die Funde heute im Dominikanermuseum in Rottweil befinden, liegt an der emsigen Tätigkeit des Rottweiler Altertumsvereins, der sich um die Sicherung von Funden im gesamten Umland bemühte und dem auch der Schwenninger Salinendirektor Friedrich Alberti angehörte (siehe Beitrag „Der erste Schwenninger Archäologe“ in diesem Blog). In dieser Frühzeit der Archäologie waren es oft Laien und Quereinsteiger, die die Spatenforschung vorantrieben. Gerade Schwenningen profitierte davon, war es doch mit Hermann Rupp ein weiterer Ehrenamtlicher, dem bedeutende bronzezeitliche Entdeckungen gelangen. 1914 und 1927 grub der Feintechniklehrer Grabhügel am Saubühl und im Fesenwald aus und barg dabei unter anderem Bronzedolche und Nadeln. Die Funde sind heute – neben Repliken der Quellopfer vom Schwenninger Moos – im Heimat- und Uhrenmuseum in Schwenningen zu sehen.

Romantisierende Darstellung der Opferung, Felix Schlenker, um 1950

Die Vorgänger der Kelten

Insgesamt sind Grab- und Streufunde gegenüber Siedlungsfunden deutlich in der Mehrzahl. Eine Ausnahme bildet die Schwenninger Siedlung, die 1955 durch Scherbenfunde im Garten des ehemaligen Krankenhauses nachgewiesen wurde. Einige der Scherben konnten zu einem doppelkonischen Becher aus der Zeitstufe Hallstatt A (1200 – 1050 v. Chr.) rekonstruiert werden. Der Name dieses Zeitabschnitts der Spätbronzezeit verweist auf den bedeutenden Fundort Hallstatt in Österreich, nach dem auch die eisenzeitliche Hallstattkultur benannt wurde, die schließlich um 800 v. Chr. die Bronzezeit ablöste. In unmittelbarer Nähe des bedeutendsten Fundorts dieser Zeit, dem VIllinger Magdalenenberg, dürfte eine weitere bronzezeitliche Siedlung gewesen sein, wie Holzkohlereste vermuten lassen. Demnach könnte hier eine Siedlungskontinuität von der Stein-, über die Bronze- bis in die Eisenzeit bestanden haben.

Bronzevogel aus dem Wagengrab von Mengen (links) und dem Fürstengrab Magdalenenberg (rechts, nicht maßstabsgetreu).

Das ist nicht ungewöhnlich. Tatsächlich wurden viele urnenfelderzeitliche Siedlungen von den frühen Kelten weitergenutzt. Auch kulturell vollzog sich zwischen den beiden Epochen kein drastischer Wandel, im Gegenteil. 1905 entdeckte man in Mengen im Landkreis Sigmaringen die Überreste eines imposanten Grabes mit den Resten eines vierrädrigen Wagens, Pferdegeschirrteilen sowie 18 Keramikgefäßen. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt bis zum ganz ähnlichen Fürstengrab vom Magdalenenberg. Selbst in Details zeigt sich die Verwandtschaft: Ein kleiner Bronzevogel aus dem Mengener Grab ähnelt frappierend seinem Pendant aus dem Villinger Magdalenenberg. Vogeldarstellungen mitsamt ihrer uns heute unbekannten religiösen Symbolik gelangten mit neuen kulturellen Strömungen aus dem Donauraum in der Spätbronzezeit nach Mitteleuropa, wo sie sich bis weit in die Eisenzeit hinein hielten. Nicht nur darin zeigt sich die große Bedeutung der Bronzezeit für die Ur- und Frühgeschichte unserer Heimat.


Literatur:

  • Knopf, Thomas et al.: Archäologische und bodenkundliche Untersuchungenzur Besiedlungs- und Landnutzungsgeschichte der Baar, in: Schriften der Baar, Band 58, Donaueschingen 2015.
  • Kreutle, Rainer: Die Urnenfelderkultur zwischen Schwarzwald und Iller, Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands, Band 19, Büchenbach 2007.
  • Lißner, Birgit: Zu den frühbronzezeitlichen Gruppen in Süddeutschland, Leipziger online-Beiträge zur Ur- und frühgeschichtlichen Archäologie, Leipzig 2004.
  • Revellio, Paul: Beiträge zur Geschichte der Stadt Villingen, Villingen im Schwarzwald, 1964.
  • Schmid, Beate: Die urgeschichtlichen Funde und Fundstellen der Baar, Rheinfelden 1991.
  • Spindler, Konrad: Aus der Geschichte. Vor- und Frühgeschichte, in: Gutknecht, Rainer: Der Schwarzwald-Baar-Kreis, Stuttgart/Aalen 1977, S. 60.