In den sozialen Netzwerken ging es am 14.11. hoch her: Viele Bürgerinnen und Bürger meldeten die seltsame Sichtung eines grünlich-gelb leuchtenden Objekts am Abendhimmel über VS und spekulierten wild darüber, ob die Landung von Besuchern aus fernen Galaxien bevorstünde oder es vielleicht doch eine einfachere Erklärung gäbe. „Wie eine riesige Sternschnuppe mit Schweif“, „dachte zuerst an einen Hubschrauber, aber mit komischer Farbe“, „wunderschön, aber sehr fremd“ – so wurde das Ereignis von Beobachtern in der Facebook-Gruppe „Stadtgeflüster VS“ beschrieben.

Es handelte sich bei dem Phänomen sicher um einen Meteoroiden, der in die Erdatmosphäre eindrang und dabei eine besonders starke Leuchterscheinung, einen Boliden, hervorrief. Dieses Leuchten entsteht durch die Ionisierung von Luftteilchen und schwankt je nach Größe und Eintrittswinkel. Die Farbigkeit hängt von zahlreichen Umgebungseinflüssen ab, unter anderem der molekularen Zusammensetzung der Luft und des Körpers selbst. Eine grünliche Farbe könnte beispielsweise auf Magnesium-Anteile in der Plasmahülle hindeuten. Gesehen wurde das Objekt in weiten Teilen Süddeutschlands und der Schweiz, also weit über die Grenzen der Doppelstadt hinaus.

„Ich bin kein Esoteriker, aber ich hab’s auch gesehen“,  „ein großes Ereignis steht bevor“ oder „Elvis kommt zurück“: Viele Beobachter berührte der Anblick offenbar so sehr, dass sie ins Schwärmen gerieten. Dabei gehört die Sichtung in eine lange Reihe von Himmelsphänomenen, die für Gesprächsstoff in der Bevölkerung sorgen – auch in Villingen-Schwenningen.

„Donnerstein von Ensisheim“ in der Schedelschen Weltchronik. Der Knall des in die Atmosphäre eindringenden Meteoroiden war damals auch in Villingen und Schwenningen zu hören.

Ähnlich aufsehenerregend wie die Sichtung vom 14.11. war sicherlich der Meteoroid des Jahres 1492, der genau über Villingen hinwegzog und in Ensisheim als Meteorit (so nennt man die Körper erst, wenn sie den Boden erreichen) niederging. Zeitgenossen beschrieben damals einen „Klapff“, einen lauten Knall, der typischerweise bei besonders großen Einschlägen entsteht. Der gefundene Überrest ist noch heute im dortigen Museum zu bestaunen. Ein solcher Knall wurde bei der jüngsten Sichtung nicht berichtet, und ob ein Festkörper aufschlug, ist noch unklar – und eher unwahrscheinlich.

Der Meteorit, der in Ensisheim niederging, wird heute im dortigen Museum ausgestellt. Foto: Konrad Andrä, Sternwarte Singen e.V.

Noch viel größer als Meteoroiden (die maximal ein paar Meter Durchmesser haben) sind Asteroiden und Kometen. Letztere bilden ebenfalls eine Leuchterscheinung (Koma), die durch das Austreten von Gasen und im Gegensatz zu Meteoren außerhalb der Atmosphäre entsteht. Ein solcher Komet wurde einige Jahre nach dem Ensisheim-Ereignis gesichtet und sorgte für große Unruhe in der Bevölkerung, denn Kometen galten als Unglücksboten. Der Villinger Chronist Valentin Ringlin vermerkte in seiner Chronik: „Anno 1538 ist ain solcher Komet gestanden, umb den hailigen Drey Künig tag, wie hie verzaichnet ist“, und fügte eine anschauliche Skizze bei. Der Naturphilosoph Achilles Pirmin Gasser widmete dem Naturschauspiel damals eine kleine Abhandlung und warnte: „Krieg, blutvergiessen und Auffrur bedeutt Er in mancherlay Practick, untugend und laster“. Diese Himmelsphänomene ließen sich noch nicht vorhersagen und schienen somit völlig außerhalb der natürlichen Ordnung zu stehen. Und was man nicht kennt, macht natürlich Angst.

Der Komet von 1538, wie ihn der Chronist Valentin Ringlin sah.

Angst machten auch seltsame Wetterphänomene am 11. Januar 1514 („ein weis Creutz mitten durch den Mon[d] undt auf jedter seithen ein Zeichen“) und am 11. März 1549 (drei Sonnen nebeneinander). Von Halos, die durch Lichtbrechung an Eiskristallen verursacht werden und merkwürdige Formen annehmen können, wusste man damals noch nichts. Am 25. Juli 1535 brannte schließlich „der himmell graußßammlich von feirflammen“, die angeblich auf die Erde stürzten und Häuser vernichteten. Auch wenn die Deutung hier schwerer fällt, ist am ehesten an Nordlichter zu denken, die unter Umständen auch weit im Süden gesehen werden können und dann aufgrund des flacheren Winkels der eintreffenden Protonen und Elektronen in rötlicher Farbe erscheinen.

Selbst in der Zeit der Aufklärung waren mystische Deutungen merkwürdiger Himmelsphänomene noch weit verbreitet. Vom 29. bis 31. August 1746 ging in Villingen „die sonnen bluottroth undter […] undt der Mon roth auf“. Das konnte nur Unglück bedeuten! Eine Erklärung fand man im österreichischen Erbfolgekrieg, der damals wütete, denn ein roter Mond wies – natürlich – auf großes Blutvergießen hin.

Es zeigt sich: In allen Epochen sorgten außergewöhnliche Himmelsereignisse für Gesprächsstoff. Berichte über Meteore finden sich hingegen vergleichsweise selten – denn vor Beginn der „Lichtverschmutzung“ waren viel mehr Sternschnuppen zu sehen als heute, und dass die eine oder andere mal größer war, war nicht so außergewöhnlich. Heute fallen uns nur noch die besonders hellen Boliden auf, die dann umso eindrucksvoller wirken.

Also – no panic! Weder der Weltuntergang, noch die Ankunft von Außerirdischen steht bevor. Und auch auf Elvis werden wir vergeblich warten müssen…