Das Uhrenindustriemuseum widmet dem Schwenninger Industriepionier und Politiker Johannes Bürk anlässlich seines 200. Geburtstages im Zeitraum von 10. Mai 2019 bis 1. März 2020 eine Sonderausstellung mit dem Titel „Zeit, Freiheit und Kontrolle – Johannes Bürk und die Folgen“. Bürks runder Geburtstag ist auch der Anlass für den hier zu lesenden Versuch einer kurzen Würdigung seiner Lebensleistung.
Eine solche Würdigung fällt schwer angesichts der Vielzahl herausragender Erfolge und Projekte dieses Mannes. Es fällt vor allem schwer, unter diesen Leistungen, die sowohl auf wirtschaftlichem, sozialem, technischem, publizistischem, aber auch auf politischem Gebiet liegen, die wichtigste hervorzuheben. Hier wollen wir uns nun auf den unternehmerisch-technischen Bereich konzentrieren. Seine unternehmerische Leistung bei der Errichtung der ersten Uhrenfabrik im württembergischen Schwarzwald war fraglos herausragend. Mindestens gleichrangig und, was die Tragweite und Bedeutung über die Region hinaus anbelangt, vielleicht noch wichtiger war aber wohl seine Pioniertat der Erfindung und Einführung einer tragbaren Kontrolluhr mit umlaufendem Papierband. Auf diese wird deshalb im Folgenden, nach einem knappen Blick auf die Stationen seines Lebens, näher eingegangen.
Geboren wurde Johannes Bürk am 3. Juli 1819 in Schwenningen als erster Sohn des Schuhmachers Jakob Bürk und dessen Frau Anna (geb. Oefinger). Johannes besuchte die Dorfschule seines Heimatortes und genoss danach noch zwei Jahre Unterricht bei einem Privatlehrer. Anschließend war er Notariatskandidat in Sulz am Neckar. 1839 unternahm er eine Italienreise mit seinem Bruder Thomas. Was er dort mit wachen Augen sah, mündete nach der Heimkehr nach Schwenningen in seine erste Publikation „Die Seide“ (1840). Sie markiert den Beginn seiner Tätigkeit als Fachschriftsteller. 1841 gründete Bürk ein „Commissionsbureau“, erledigte u.a. Schreibarbeiten, Rechtsgeschäfte, Geldgeschäfte und betrieb auch schon Handel mit Uhrenteilen. 1842 heiratete er Katharina Weyler in Schwenningen und wurde im darauffolgenden Jahr Mitglied des Bürgerausschusses seines Heimatdorfes. 1846 fimierte er als „Fabrikant mathematischer Geräte“ unter anderem mit einem Patent auf einen Baumhöhenmesser, den er recht erfolgreich vermarktete und dabei viel auf Reisen war. Während der Revolution stand Bürk am 26. April 1848 an der Spitze der demokratischen Rathausstürmer zur Ablösung des lebenslang gewählten Gemeinderats in Schwenningen. 1849 wurde er dann dort Ratsschreiber und Gemeinderat.
1855 schließlich gründete er die Württembergische Uhrenfabrik zur Produktion und Vermarktung seiner tragbaren Wächterkontrolluhr. Der Name „Württembergische Uhrenfabrik“ (WUF) war ein Signal an die Uhrmacher Schwenningens und an die badische Konkurrenz. Auf seinen Geschäftsreisen hatte Bürk gesehen, in welche Richtung sich die Uhrenproduktion z.B. in der Schweiz und in Frankreich entwickelte, nämlich Arbeitsteilung und Massenproduktion, also hin zur Industrie. Bürk unternahm verschiedene Versuche, den Schwenninger Uhrmachern Arbeitsteilung und gemeinschaftliches, normiertes Produzieren nahezubringen. Die eigene Fabrik war sein letzter und schließlich erfolgreicher Versuch in dieser Richtung. Ferdinand Steinbeis, königlich württembergischer Gewerbeförderer, traute Bürk zu, dem Gewerbe vor Ort neue Impulse zu geben und unterstützte ihn, wenn auch zu Konditionen, die für Bürk nicht eben rosig waren. Die WUF führte den 12-Stunden-Tag ein, damals eine Errungenschaft. Es gab eine Betriebskrankenkasse und eine ausgedehnte Lehrlingsausbildung. Aufsehen erregte in Schwenningen 1861 die Aufstellung einer ersten Dampfmaschine mit 6 PS. Wichtig war auch die Gießerei, die Bürk installierte, um von Importen aus dem Badischen unabhängig zu sein.
Nach Johannes‘ Tod entwickelte sein Sohn Richard Bürk das Unternehmen weiter. Es wurde zur Keimzelle der weltweit bedeutenden Schwenninger Kontrolluhrenindustrie. Richard wurde 1851 als zweiter Sohn Johannes Bürks geboren. Der begabte Techniker erweiterte die Produktpalette des Betriebes. Sehr erfolgreich waren seine Apparate zur Arbeitszeiterfassung wie Stechuhren oder Stempeluhren. Wie sein Vater war er ein liberaler Demokrat. Er wurde 1895-1900 in den württembergischen Landtag gewählt, engagierte sich unter anderem für die Feintechnikschule und die Errichtung der Bürk-Turnhalle. Auch deshalb ernannte ihn Schwenningen 1926 zum Ehrenbürger. Er starb 1934. Die Württembergische Uhrenfabrik existierte noch weiter bis Ende der 1980er Jahre.
Nun aber zu dem Produkt, das diese erfolgreiche Unternehmensgeschichte erst ermöglichte. Johannes Bürks tragbare Wächterkontrolluhr war massiv und robust. Messinggussteile bezog er anfangs noch aus Baden. Das Uhrwerk kam aus der Schweiz. Bis 1858 wurde beim Schwenninger Uhrmacher Michael Vosseler und in gemieteten Räumen produziert d.h. vor allem montiert. Die Konkurrenten Bürks verfolgten ihre Wächterkontrolluhr-Projekte nicht weiter, obwohl Bürks Patent nur einen umlaufenden Kontrollstreifen aus Papier betraf. Die Württembergische Uhrenfabrik hatte somit bald eine Monopolstellung im Bereich der tragbaren Wächterkontrolluhren inne. Bemerkenswert ist, dass dieses Produkt weitestgehend unverändert bis ins 20. Jahrhundert von der Württembergischen Uhrenfabrik produzuiert wurde. Bemerkenswert vor allem deshalb, weil Johannes Bürk zuvor keine Uhren gebaut hat, weil er auch auf diesem Gebiet der Technik Autodidakt war und weil er dieses dauerhafte Produkt mit seinem ebenfalls quasi autodidaktisch geführten ersten Industriebetrieb seiner Heimat so erfolgreich umgesetzt hat.
Die Wächterkontrolluhr Bürks war also für das Unternehmen, das Bürks Sohn Richard ab 1872 bis 1934 führte lange Zeit prägend und wichtiges ökonomisches Standbein, wenngleich längst verschiedene Varianten tragbarer Kontrolluhren von der WUF selbst, aber auch von Konkurrenten produziert und offeriert wurden. Welch bedeutende Rolle die „Bürk Original“, also jene erste Kontrolluhr Johannes Bürks für die WUF im 20. Jahrhundert noch spielte, dokumentiert der um 1912 entstandene Katalog der Württembergischen Uhrenfabrik, dessen Titelseite sie als einziges Produkt ziert (s. Abb.). Dort wird auch auf dem Blatt „Allgemeines über Kontrolle-Uhren“ über die „Bürk Original“ gesagt, sie sei „1855 erfunden und hat sich seither derart bewährt, dass sie in ihrer ursprünglichen Konstruktion fortwährend das Feld behauptet […] wie denn auch heute von unseren Uhren seit mehr als 50 Jahren sich täglich in Benutzung finden.“ Das heißt, die Konkurrenz hat mit ihren Nachahmungen wenig Boden gewinnen können und die Qualität der Uhren war so hoch, daß sie auch nach 50 Jahren noch einsatztauglich und modern waren. Die im Katalog von 1912 genannten Verkaufszahlen für die „Bürk Original“ schwanken zwischen 50.000 und 70.000 Einheiten. Selbst wenn man von der niedrigsten Zahl, also 50.000 Einheiten zwischen 1855 und 1912 ausgeht, ist dies beachtlich. Zumal diese Uhren nicht wirklich billig waren. Die „Bürk Original“ kostete um 1912 glatte 60 Reichsmark. Hinzu kam notwendiges Zubehör wie Ledertasche, Kontrollstreifen, Kontrollbuch, die Kästchen für die Markierschlüssel und Ketten für die in einzelnen Kästchen an den Kontrollpunkten aufbewahrten Markierschlüssel sodaß man rund 80 Reichsmark, das entsprach etwa dem Monatslohn eines Arbeiters zu dieser Zeit, bezahlen musste, wenn man einen Wachmann mit einer „Bürk Original“ auf die Runde schicken wollte. Als mögliche Einsatzgebiete der Uhren wurden „Städte und Dörfer, einzelne Wohnplätze, Fabriken, Werke und Anstalten, Eisenbahnen und Gefängnisse“ genannt.
Es macht also durchaus Sinn, dieses Produkt, die Wächterkontrolluhr mit umlaufendem Papierstreifen, in einer Sonderausstellung zu Ehren Johannes Bürks zu präsentieren. Ja es macht sogar Sinn, sie zweimal zu thematisieren und zu präsentieren. Einmal als das Industrieprodukt, das das Schwenninger Gewerbe revolutionierte und den Aufstieg des Dorfes zur größten Uhrenstadt einleitete, zum anderen als gewissermaßen erster „activity tracker“ der Welt, der mit seinem nur dem Kontrolleur des Wächters zugänglichen Kontrollstreifen den Beginn des modernen Datensammelns markiert und damit eine nicht nur die Arbeitswelt, sondern auch das Privatleben von uns Menschen tiefgreifend beeinflussende Entwicklung, die fortwährend andauert, angestossen hat.
Auch nachdem er die WUF gegründet hatte, war Johannes Bürk der umtriebige Modernisierer seiner Heimatgemeinde und –region geblieben. 1859 war er Gründungsmitglied der Turngemeinde Schwenningen, 1862 Initiator der Schwenninger Feuerwehr. Er setzte sich stark für den Bau der Eisenbahn nach Schwenningen ein, ein Projekt, das 1869 von Erfolg gekrönt war und dessen Bedeutung für Schwenningen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Bürk war 1867 Gründungsmitglied der Handelskammer Rottweil und 1868-1870 gewählter Abgeordneter und Mitglied des Württembergischen Landtags. Er verstarb am 29. November 1872 in Schwenningen nach langer Krankheit. Anläßlich seiner Leistungen und Verdienste wird am 6.7.2019 dort, wo Bürks Geburtshaus stand, Ob dem Brückle, eine Gedenktafel für ihn enthüllt. Außerdem wird ein historischer Sonderzug an diesem Tag zu seinen Ehren zwischen Rottweil und Villingen mit Halt in Schwenningen verkehren und im Rahmen der Kulturnacht ein facettenreiches Veranstaltungsprogramm in der alten Württembergischen Uhrenfabrik, dem heutigen Uhrenindustriemuseum, für Jung und Alt geboten.
WEerter Herr Dr. Ketterer
ich habe einiges an originalen Bürk “ Devotionalien “
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R.Helfen OStR i.R.