Ein altertümlicher Koloss von ganz eigener Ästhetik prägt die Abteilung „Mensch, Arbeit, Technik“ im Franziskanermuseum. Zwischen Dieselmotor und eisernen Pflugscharen steht ein vier Meter langer Schwanzhammer, ein archaisch anmutendes Relikt der frühen Hochindustrialisierung. Neben seiner technikhistorischen Bedeutung erzählt er zugleich ein Stück Villinger Lokalgeschichte – und die lange Geschichte einer Familie zwischen Tradition und Moderne.

Schwanzhammer im Franziskanermuseum (Foto: Franziskanermuseum)

Schwanzhämmer gehören zu den wassergetriebenen Fallhämmern, die seit dem Spätmittelalter in Großschmieden und Hammerwerken zum Einsatz kamen. Über eine Nockenwelle wurde die Kraft eines oberschlächtigen oder unterschlächtigen Wasserrads auf den Hammer übertragen. Die Nocken hoben den am hinteren Ende mit einem langen Holzstiel versehenen Hammerbär an, der nach dem Übergleiten infolge seines Eigengewichts auf das Werkstück herabfiel. Der lange Stiel oder „Schwanz“ diente als Hebelarm und gab dem Gerät seinen Namen. Die Konstruktion ermöglichte gleichmäßige, kräftige Schläge, wie sie für die Metallbearbeitung erforderlich waren. Schwanzhämmer bilden damit ein wichtiges Bindeglied zwischen handwerklicher Produktion und industrieller Fertigung.

Der Schwanzhammer im Einsatz in der Hammerschmiede Laun, um 1900 (Sammlung Manfred Hildebrandt)

Das Villinger Exemplar stammt aus dem Hammerwerk Laun und wurde um 1870 gefertigt. Ein vom letzten Villinger Hufschmied Hans Stern (1926-2008) konstruiertes Modell zeigt im Museum anschaulich die Funktionsweise der Anlage.

Das Hammerwerk geht auf Franz Jakob Laun zurück, der am 19. September 1829 in Schramberg geboren wurde.[1] Sein Stammbaum lässt sich über 400 Jahre zurückverfolgen; spätestens seit dem 17. Jahrhundert war die Familie im Schmiedehandwerk tätig. Franz Jakob, das älteste von acht Kindern, trat in die Fußstapfen seines Vaters und zog als Geselle nach Villingen, wo damals drei Hammerwerke existierten. Bei Heinrich Osiander, dem Inhaber des „Oberen Hammers“ (heute Feldner Mühle), fand er seine erste Anstellung. 1859 heiratete er Sophia Magon, die Nachfahrin savoyischer Einwanderer, mit der er zwei Söhne und zwei Töchter hatte.

1862 errichtete Laun in der heutigen Prinz-Eugen-Straße 5 (beim Eisweiher) sein Wohnhaus mit Schmiedewerkstatt. Gemeinsam mit dem Mechaniker Carl Friedrich Häsler, dem Besitzer der gegenüberliegenden ehemaligen Sodafabrik, gründete er die Maschinenfabrik Häsler & Laun. Ein Anbau zur Unterbringung einer Dampfmaschine und eines Schwanzhammers brannte 1866 ab. Nur dank großer öffentlicher Unterstützung konnte der Betrieb fortbestehen. Zunächst wurden Wagenachsen hergestellt, später spezialisierte sich die Fabrik auf schmiedestählerne Pflüge. Bauern aus ganz Südwestdeutschland zählten bald zu den Kunden, und der Name Laun wurde zum Begriff für Qualität im landwirtschaftlichen Bereich. Auch Glockenklöppel, unter anderem für die bekannte Villinger Glockengießerei Grüninger, gehörten zu den wichtigsten Produkten. 1872 endete die Partnerschaft mit Häsler, und Laun führte das Hammerwerk allein weiter, bis 1898 seine Söhne Carl Friedrich und August, beide ebenfalls Schmiede, als Gesellschafter einstiegen.


Franz Jakob Launs private Leidenschaft galt der Entomologie. Schon 1858 zeigte er seine Schmetterlingssammlung auf der Industrieausstellung in Villingen,[2] und später betrieb er neben seiner Tätigkeit als Hammerwerksbesitzer eine Imkerei, für die er bei der „bienenwirtschaftlichen Ausstellung“ in Karlsruhe 1891 prämiert wurde.[3] Als die Gründer der städtischen Altertümersammlung zum Sammeln historischer Exponate aufriefen, folgte er diesem Appell und überließ dem heutigen Franziskanermuseum eine eiserne Geschützkugel. Ein schwerer Schicksalsschlag traf ihn, als sein Sohn Carl Friedrich mit nur 42 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. Er zog sich aus dem Geschäft zurück und starb zwei Jahre später, am 29. Januar 1906, im Alter von 76 Jahren.

August Laun und Pauline Laun, geb. Höld, die Witwe seines Bruders, führten das Unternehmen erfolgreich weiter. Auf Industrieausstellungen in Karlsruhe und Villingen erhielten sie Goldmedaillen. Besonders der Auftritt auf der Gewerbeausstellung von 1907, die vom Großherzogpaar besucht wurde, brachte der Firma große Aufmerksamkeit. Noch im selben Jahr erschien ein gedruckter Produktkatalog mit den bereits weithin bekannten „Laun-Pflügen“. Von der alten Dampfmaschine war man inzwischen auf einen zehn PS starken Elektromotor umgestiegen. August Laun starb 1940. Das Werk blieb bis in die 1960er-Jahre im Besitz der Familie, die bis dahin über zehn Generationen hinweg ununterbrochen das Schmiedehandwerk ausgeübt hatte.

Produktkatalog der Hammerschmiede, um 1907 (Slg. Manfred Hildebrandt)

Die letzte große Stunde des altehrwürdigen Hammerwerks schlug 1962. Zur Feier des hundertjährigen Bestehens wurde das Fabrikgebäude mit Tannenreis und Blumen geschmückt, zahlreiche namhafte Gäste sprachen ihre Glückwünsche aus, und der Maler Guido Schreiber überreichte dem Firmenbesitzer ein Aquarell. Im Mittelpunkt stand an diesem Tag jedoch nicht August Laun, der Enkel des Firmengründers, sondern der Oberkirnacher Handwerker Andreas Müller. Er hatte fünfzig Jahre zuvor als 17-jähriger Schmiedegeselle seine Arbeit im Hammerwerk begonnen und dem Betrieb seither die Treue gehalten.[4]

Dass die Zeitungen darüber mit einem Anflug von Wehmut berichteten, zeigt, dass der Niedergang des alten Schmiedehandwerks bereits deutlich absehbar war. Der Blick zurück erschien glücklicher als der Blick in eine ungewisse Zukunft. Tatsächlich sollte das Hammerwerk Laun nicht mehr lange bestehen bleiben. So wie der Orchestrionbau, der Glockenguss und die Kunsttöpferei endete auch dieses Kapitel der alten regionalen Wirtschaftsgeschichte, als das Werk 1965 der expandierenden Firma Kienzle Apparate weichen musste. Ein Jahr später starb August Laun, der den Betrieb noch zu einer mechanischen Werkstätte für die Zulieferung von Stahlplatten umgebaut hatte. Schwanzhammer und Dampfmaschine gelangten ins Museum, wo sie bis heute ihren Platz haben.

Fabrik der Hammerschmiede in der Prinz-Eugen-Straße 5, um 1960 (Slg. Manfred Hildebrandt)

Ein Urenkel des Firmengründers, Wolfgang Laun, gründete Anfang der 1960er Jahre den Großhandelsbetrieb Wolfgang Laun e. K., der 2009 an Bucher Stahl verkauft wurde. Seit 2018 produziert in Zimmern ob Rottweil die Laun Stahl GmbH, in der der alte Familienname erhalten geblieben ist.


[1] Dieser und alle weiteren biographischen Hinweise aus: SAVS 1.42.03.38.
[2] Vgl. Commissions-Bericht über die Schwarzwälder Industrieausstellung zu Villingen, Karlsruhe 1858, S. 101.
[3] Vgl. Bienenwirtschaftliches Centralblatt, Hannover 1891, S. 311 f.
[4] Vgl. SAVS 1.42.03.38.