Ein Gastbeitrag von Dr. Thomas Schindler, München


Vor 250 Jahren steckte man Straftäter in Villingen bei geringeren Vergehen mitunter in eine als „Spanischer Mantel“ bezeichnete hölzerne Tonne. Derart „bekleidet“ führte man sie dann über öffentliche Plätze durch die Stadt: Die damit verbundene Schande sollte für alle sichtbar sein. Im Franziskanermuseum wird diese hölzerne Tonne in der Dauerausstellung in der Abteilung zum Gerichts- und Strafwesen gezeigt. Damit zeigt das Museum als lediglich eines von dreien in Baden-Württemberg ein solches – merkwürdiges – Strafgerät. Die beiden anderen Exemplare befinden sich im Stadtmuseum Humpisquartier in Ravensburg und im Landesmuseum Württemberg in Stuttgart. Deutschlandweit sind bislang übrigens nur noch rund 10 weitere „Spanische Mäntel“ bekannt.

Spanischer Mantel, Villingen, vor 1754, Nadelholz, holzsichtige Oberfläche; Franziskanermuseum, Inv.-Nr. 11867; Foto: visual-artwork

Die Tonne

Im Jahr 1754 tritt uns in den Villinger Ratsprotokollen zur damaligen Rechtspflege ein „Spanischer Mantel“ entgegen: „Johann Müller, welcher am Himmelfahrtstag gejagt und sogar im dem Fürstenberger Forst, wird mit 3 Tagen Haft bestraft. Wenn er erneut den Wald betreten würde, dann soll ihm ein spanischer Mantel angelegt werden“. Dem Verurteilten wurde demnach als Strafverschärfung das Anlegen dieses Mantels angedroht.

Bei dem „Mantel“ handelt es sich um eine kegelförmige, unten offene Holztonne von über einem Meter Höhe: „Dieses Werkzeug war nämlich so gemacht, daß der Verurtheilte den Kopf durchstecken konnte, und es ihm dann auf den Schultern lag; er hatte also nur den Kopf frei. Er mußte nun mit diesem hölzernen schweren Mantel, der bis zum Knie reichte, eine oder ein Paar Stunden auf öffentlicher Straße vor dem Rathhause […] stehen“ (Krünitz 1832).

Johann Müller, welcher am Himmelfahrtstag gejagt und sogar im dem Fürstenberger Forst, wird mit 3 Tagen Haft bestraft. Wenn er erneut den Wald betreten würde, dann soll ihm ein spanischer Mantel angelegt werden

 

– Villinger Ratsprotokolle, 1754

Warum heißt das Gerät „Spanischer Mantel“?

Die Bezeichnung „Spanischer Mantel“ tauchte im deutschsprachigen Europa erstmals 1693 im „Theatrum Poenarum“ des Jacob Döblers († 11. April 1693), einer Übersichtsdarstellung zum weltweiten Strafwesen, auf. Darin beschreibt der Gräflich Schwarzenburgische Hofbeamte Döbler zu Jena in Thüringen das Tragen einer als Mantel bezeichneten hölzernen Tonne als Schandstrafe für niedere Hofbedienstete. Seit dem 17. Jahrhundert wurden aber alle möglichen körperverhüllenden Strafgeräte mit Bekleidungsstücken verglichen. Zu diesen spöttelnd-symbolischen Bezeichnungen zählten beispielsweise auch „Spanische Kappen“ (Schandmasken) oder „Braunschweigische Stiefel“ (Stachelschuhe: Stacheln innen!). In Bezug auf den Mantel als Rechtssymbol gilt es zu bedenken, dass dieser bereits seit dem Spätmittelalter bei unterschiedlichen Rechtshandlungen Bedeutung besaß. Beispielweise mussten schlecht beleumundete Personen wie Prostituierte aufgrund ihrer Ehrlosigkeit bestimmte Mantelfarben als sichtbaren Ausdruck ihrer Rechtsunfähigkeit tragen. Das Fallenlassen eines Mantels am Grab einer verwandten Person, vor allem bei verstorbenen Ehegatten, diente wiederum zur öffentlichen Anzeige, dass den finanziellen Verpflichtungen der verstorbenen Person nicht mehr nachzukommen ist, um noch ein zweites Beispiel genannt zu haben.

Die Ummantelung Verurteilter mit einer Schande zum Ausdruck bringenden stofflichen Hülle blieb bis zum Ende der frühen Neuzeit verbreitete Praxis. So wurden am Pranger stehenden Fleischdieben in Hamburg beispielsweise noch in den 1760er Jahren eine raue Rindshaut übergestülpt, die nur das Gesicht der verurteilten Person freiließ und ihn oder sie zum sprichwörtlichen ‚Rindvieh‘ erniedrigte. Dass Tiere wie streunende Hunde, Katzen oder Vögel durch den Geruch der rauen Haut angelockt wurden, war ebenfalls als Strafverschärfung gedacht.

Spanischer Mantel, Ottobeuren bei Memmingen, 18. Jahrhundert, Fichtenholz, Malerei in Form von Rokokoornamenten in weiß, blau und rot auf braunem Grund; Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. StR 123; Foto: Verfasser

Ob im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung „Spanischer Mantel“ für die unter dieser Bezeichnung museal überlieferten Strafgeräte in der frühen Neuzeit überwogen hat, ist zwar nicht abschließend zu klären, doch aufgrund der wenigen, aber überwiegenden Nennungen wahrscheinlich. Wortschöpfungen des 19. Jahrhunderts und frühen 20. Jahrhunderts wie „Spottmantel“, „Prangermantel“ oder auch „Prangerfass“ gründen sämtlich nicht auf historischen Befunden, scheinen didaktisch-klassifizierende museologische Termini zu sein.

Niedere Gerichtsbarkeit und „Spanischer Mantel“

Bis ins späte 18. Jahrhundert galten in den vorderösterreichischen sowie anderen Territorien und in den freien Reichsstädten unterschiedliche Verfassungen. Allgemein lässt sich sagen, dass eine Verurteilung zur öffentlich zelebrierten Todesstrafe, Leibesstrafen wie die Amputation von Gliedmaßen oder das Brandmarken und Körperstrafen wie Prügeln, das sogenannte Stäupen, standen ausschließlich der hohen Gerichtsbarkeit zu. Die individuelle Ehre betreffende Schandstrafen für kleinere Vergehen wie öffentliche Trunkenheit, Raufhändel, vorehelicher Intimverkehr, Beleidigung und üble Nachrede oder geringer Brennholz-, Frucht- und Mehldiebstahl, auch Wilderei von Niederwild unterlagen hingegen dem Urteil der niederen Gerichtsbarkeit. Kombinationen einzelner solcher geringen Vergehen sowie Wiederholungen führten aber zu drastischen Strafverschärfungen bis hin zu Leibes- und Todesstrafen oder die Ausweisung aus der Heimat.

Zwei Leitmotive standen bei der Durchsetzung von Recht im Vordergrund, die Ahndung nach dem alttestamentarischen Grundsatz Auge um Auge, Zahn um Zahn und der öffentliche Buß-Charakter von Strafen.

Spanischer Mantel, Nürnberg, 18. Jahrhundert (?), Fichtenholz, figürliche Malerei mit Darstellung von Betrunkenen Männern; Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. StR 128a; Foto: Verfasser

Ach du Schande: Ehrverlust

Für die Betroffenen besaßen Schandstrafen den Charakter von Disziplinierungsakten, mit deren Verbüßung keine generelle Entehrung als dauerhafte soziale Stigmatisierung oder Körperverletzung verbunden waren. Zu den Schandstrafen zählte auch in Villingen vor allem das Prangerstehen oder -sitzen, bei dem die Verurteilten an einem öffentlichen Platz eine bestimmte Zeit lang angekettet und der Verspottung preisgegeben wurden. Ein Äquivalent für Frauen war das sonntägliche Kirchenstehen in schimpflicher Aufmachung mit einem „Streuen Kranz“ (Strohkranz) vor der Kirchentür, während drinnen der Gottesdienst abgehalten wurde. Zur Büßung übler Nachrede oder von Beleidigungen wurde ausschließlich Frauen ein Klappbrett zur Fixierung der Hände und des Kopfs, die sogenannte Hals- oder Strafgeige angelegt. Damit ausstaffiert wurden die Verurteilten von einem Stadt- oder Gerichtsbüttel eine stark frequentierte Wegstrecke entlanggeführt oder auf einen öffentlichen Platz geleitet, sodass möglichst viele Passanten auf sie und ihr Vergehen aufmerksam wurden.

Spanischer Mantel, Berchtesgaden, 18. Jh., Eiche, holzsichtige Oberfläche; Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. StR 125; Foto: Verfasser

Dokumentierte Strafen der niederen Gerichtsbarkeit in Villingen

Anhand der sogenannten Büchsenrechnung, die aus der Zeit zwischen 1728 und 1736 vorliegt, in die Strafgelder einbezahlt werden mussten, lassen sich die vor Ort die von der niederen Gerichtsbarkeit erfassten Verstöße gegen die Rechtsordnung nachvollziehen, auch hinsichtlich deren zeitgenössische Bewertung. Die Büchsenrechnung bezieht sich auf die „Statuten und Gesetz“ vom 15. März 1668. Nach erwiesenem Intimverkehr („ohn zuchdt“) von Personen „ledtigen Standt[s]“ und folgender Schwangerschaft („impregniret“) mussten der Mann 10 Pfund (= Taler) und die Frau sechs Pfund Strafe bezahlen. „Fluechen“, „aufschelten“ und „Klag Händel“ sowie „Schlag Händel“ wurden mit einem Pfund und dreißig Kreuzern abgegolten, wobei die wirtschaftliche Situation der zu Strafenden auch eine Rolle spielte, sodass die Strafe gegebenen Falls etwas geringer angesetzt wurde. „Gelt Händel“ und „Streithändel“ mussten Männer mit einem Pfund und fünfunddreißig Kreuzer, Frauen hingegen nur mit neunzig Kreuzer abgelten. Mit neunzig Kreuzern standen „Streit Wudt“ und „Zankhändel“ zu Buche.

Spanischer Mantel, Wertingen bei Augsburg, dat. 1775, Nadelholz, figürliche Malerei mit Darstellung der vergehen, die mit Manteltragen gebüßt wurden; Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. StR 122; Foto: Verfasser

Ein lokalgeschichtlich höchst interessanter Verstoß ist das gemeinschaftliche „wegnehmen einer Masqueren in d faßnacht“, was mit einem Pfund und zwölf Kreuzern bestraft wurde. Die „Entzweiung einer Freundschafft“ kostete übrigens fünfundvierzig Kreuzer. Mitunter wurden auch – dann deutlich kostspieligere – Kombinationsstrafen verhängt, so 1733 ein Fall von „Gelt Wudt“ und „Schläg Händel“, was den Übertäter sechs Pfund kostete. Deutlich härter wurden auch Wiederholungstäter*innen bestraft, bei denen nicht nur die Geldzahlung höher angesetzt wurde, sondern noch und eine temporären Ehrverlust bewirkende Schandstrafe, Auspeitschung oder Kerkerhaft hinzukamen. Im Jahr 1734 z. B. sind mehrere Beispiele hierfür überliefert: „Catharina Schmidtin so sich mit Jacob Sonech Musquetier des lobl Kayl. [Kaiserlich] Guido Stahren bergl [Starhembergischen] Regiment ohn zucht getriben undt es das ande mahl schon wäre ist mit eine Streuen Kranz [Strohkranz] vor die Kürch gestellt wordte“.

Öffentlich zur Schau gestellt

Ende des 18. Jahrhunderts wurden die „Spanischen Mäntel“ überall ausgemustert –sie wollten nicht mehr so recht zum Justizwesen der Aufklärung passen, das nun neben die Abbüßung einer Strafe die Rehabilitation stellte. Hierzu musste bei geringeren Vergehen vor allem öffentlich sichtbare Zwangsarbeit im städtischen Bauwesen abgeleistet werden. Demnach verschwand zwar der Mantel, doch der öffentliche Charakter der Strafen und die damit verbundene Schande mussten die Verurteilten weiterhin erdulden.

Spanischer Mantel, Berchtesgaden, 18. Jh., Eiche, holzsichtige Oberfläche; Bayerisches Nationalmuseum, Inv.-Nr. StR 127; Foto: Verfasser

Über den Autor: Thomas Schindler, geboren in Freudenstadt im Schwarzwald, nach einem Studium der Europäischen Ethnologie/Kulturwissenschaft mehrere berufliche Stationen in Hessen und Bayern. Seit 2016 Referent für Volkskunde am Bayerischen Nationalmuseum in München, dort zuständig u. a. für die Strafrechtsaltertümersammlung