Warum ein Zylinder aus dem Schwarzwald nach Sachsen kommen soll…

Leihverkehr verbindet

Der rote Zylinder auf Besuch in Schloss Moritzburg

Über unsere frühere Mitarbeiterin Christina Ludwig kam Anfang des Jahres eine Leihanfrage nach Strohhüten aus unserem Bestand für das Schloss Moritzburg in Sachsen ins Haus geflattert. Frau Ludwig hatte sich als Volkskundlerin im Rahmen eines VW-Forschungsprojektes vor zwei Jahren zur Sammlertätigkeit von Oskar Spiegelhalder intensiv mit der Strohflechterei beschäftigt. In Moritzburg sollte nun die sächsische Strohflechtkunst in der Ausstellung „Stroh zu Gold“ beleuchtet werden. Den Anlass für die dortige Ausstellung gab die Restaurierung einer Strohflechttapete, mit der ein Raum im Schloss ausgestattet ist und die mit historischem Stroh aus der Schweiz restauriert wurde. In diesem Zug kam es zur Kooperation mit dem schweizer Strohmuseum in Wohlen – und von dort war der Weg bis nach Villingen-Schwenningen bei der Suche nach typisch schwarzwälderischen Exemplaren dann nicht mehr weit.

Ein geeigneter Kandidat

Mit Bollenhüten konnten wir nicht wirklich weiterhelfen, da unsere Bestände in diesem Bereich nicht sehr groß sind, wohl aber mit Strohzylindern. Nach einer Sichtung aller Kisten im Depot mit schwarzwälderischen Kopfbedeckungen fand sich ein schöner, kräftig roter Zylinder aus Simonswald.  Er schien uns von seiner Erscheinung her durchaus geeignet, um als Vertreter für Schwarzwälder Tracht und Strohflechtkunst nach Sachsen zu reisen. Allerdings war er bei seiner Auffindung nicht in salonfähigem Zustand. Die Geschichte seiner Nutzung hatte deutliche Spuren hinterlassen, weswegen er lange Zeit ein unbeachtetes Dasein in einem säurefreien Karton im Depot verbracht hatte. Für die Ausstellung „Moden“ im Franziskanermuseum hatte der rote Zylinder keine Chance auf Präsentation gehabt.  Zum einen erschien er wie schon erwähnt nicht ganz abendfein und stammte zudem nicht aus der Sammlung Spiegelhalder – sondern aus der Altertümersammlung. Doch mit dieser Anfrage aus Sachsen wendete sich das Blatt, Nachdem aus der  Dauerausstellung keine Hüte für eine Ausleihe entnommen werden sollten, bekam der Simonswälder Kollege die Chance auf Rampenlicht. Und wurde dafür natürlich wieder ausstellungsfertig gerichtet, sprich – restauriert.

Die Restaurierung

Nach einer Reinigung der Oberfläche mussten zunächst alle  lockeren Farbschöllchen gefestigt werden. Zum Einsatz kam das medium für Konsolidierung von Lascaux. Danach wurde die große umlaufende Fehlstelle am äußeren Wulst des Hutdeckels sowie weitere Fehlstellen im Deckelbereich und im Übergang zu Krempe dünn mit einer Leim-Kreide-Mischung grundiert. Durch die geringe Auftragsstärke der Grundierung zeichnete sich nach der Trocknung wieder die Struktur des feinen Strohgeflechts ab, genau wie bei der umgebenden originalen Fassung des Huts. Dann wurde die gealterte rote Oberfläche des Hutes mit einer Retusche in Tratteggio-Technik auf den grundierten Flächen nachempfunden. Schließlich sorgte ein dünn aufgetragener Firnis mit Paraloid B 72 für die Einstellung des richtigen Glanzgrades der Oberfläche – wiederum angepasst an die original erhaltenen Flächen. Insgesamt wurde bei der Restaurierung darauf geachtet, den Zylinder nicht wie neu aussehen zu lassen, sondern den gewachsenen Zustand eines Gebrauchsgegenstandes behutsam ausstellungsfähig zu machen.

Der Zylinder im Vorzustand.
Hier sind sämtliche Fehlstellen gekittet.
Die rechte Seite des Hutdeckels ist bereits retuschiert.
Aufsicht auf den Hutdeckel in fertig restauriertem Zustand.

 

Resümee aus dieser Anfrage

Frau Ludwig sitzt inzwischen übrigens bei Zwickau und leitet dort das ebenfalls sehr sehenswerte Naturalienkabinett Waldenburg. Aus dem Strohmuseum Wohlen hatten wir damals für unsere „Moden“-Ausstellung auch Strohhüte ausgeliehen. So zieht sich ein strohgelbes Band durch die Museumswelt von der Schweiz über Villingen-Schwenningen bis nach Sachsen… Und der Zylinder leuchtet wieder rot vor Stolz!