Pünktlich zum Gruselfest Halloween begeben wir uns auf einen virtuellen Rundgang durchs Franziskanermuseum, wo uns einige unheimliche Ausstellungsstücke erwarten. Der Rundgang ist eine Anregung zum Nachforschen und Selbsterkunden, denn der Eintritt in die Dauerausstellung ist frei. Bereit? Los geht’s!

Kreuzgang im Franziskanermuseum (Foto: visual-artwork)

Unser Weg beginnt im Kreuzgang mit den schönen gotischen Maßwerkfenstern. Hier merkt man am deutlichsten, dass sich das Museum in einer ehemaligen Klosteranlage des Franziskanerordens aus dem 13. bis 18. Jahrhundert befindet. Der Kreuzgang verband die verschiedenen Bereiche des Klosters miteinander, diente zur Meditation und zum Gespräch, aber auch zum Wäscheaufhängen oder für die rituelle Fußwaschung. Dass das Kloster zugleich Begräbnisort war, zeigen die an den Wänden aufgestellten Grabsteine: Auf dem Osianderplatz vor dem Gebäude, wo heute friedlich ein Brunnen plätschert, befand sich der Friedhof der Zunftbruderschaften, in der Kirche wurden die Adligen und Geistlichen bestattet (unter anderem der schlimmste aller schwäbischen Raubritter, Hans von Rechberg). Ein ordentliches Begräbnis war nach der christlichen Vorstellung des Mittelalters und der frühen Neuzeit sehr wichtig, denn nur ein unversehrter Leichnam konnte sich der leiblichen Wiederauferstehung sicher sein. Zeiten der Not und des Elends, in denen es viele Tote gab, die nicht ordentlich bestattet werden konnten – zum Beispiel durch Seuchen und Kriege – waren daher im Volksglauben auch eine Zeit, in der die Geister besonders aktiv waren.

„Teufelsfratze“ in der Südwestecke des Kreuzgangs

In der Ecke zwischen dem Süd- und dem Westflügel begegnet uns diese merkwürdige Fratze, die aussieht wie ein Affenkopf mit Reißzähnen. Wahrscheinlich soll es eine Teufelsfratze sein, aber die genaue Bedeutung ist unklar. Diente sie vielleicht der Abwehr böser Kräfte (ein so genanntes Apotropäon)? Eine solche Funktion sagt man auch den Kürbisgeistern an Halloween nach, deren Fratzen das Haus vor Unglück schützen sollen.

Apropos Halloween, was feiert man da eigentlich?

Der Name Halloween kommt von „All Hallow’s Eve“ – das bedeutet so viel wie „Abend vor Allerheiligen“. Allerheiligen wurde von Papst Gregor im Jahre 835 auf den 1. November gelegt. Bis weit ins Mittelalter hinein traf man sich vor hohen Festen zum gemeinsamen Nachtgebet (Vigil), so etwa vor Weihnachten (Heiligabend). Vermutlich entstand Halloween als Vorabend-Feier zum christlichen Allerheiligenfest, doch vermischten sich im Laufe der Jahrhunderte viele Einflüsse zu jenem Fest, das wir heute kennen. Dazu später mehr. Wir begeben uns über die Treppe einen Stockwerk nach oben, in die Abteilung zur Stadtgeschichte bis 1800.

„Totenkopftafel“, 17./18. Jh., Franziskanermuseum

Nicht erschrecken! Diese Totenköpfe wollen nur spielen. Sie sind Teil einer hölzernen, bemalten Theaterkulisse des 17. oder 18. Jahrhunderts. Die Franziskaner unterhielten, genauso wie die benachbarten Benediktiner, ein Gymnasium mit Schultheater. Als die Klöster vor rund 200 Jahren aufgelöst wurden, verbaute man die Kulissen zum Teil in umliegenden Häusern. Die Totenkopftafel und die anderen im Museum ausgestellten Kulissenfragmente wurden bei der Renovierung eines Hauses in der Schulgasse entdeckt. Eine Familie entfernte eine Decke – und wurde plötzlich von Totenköpfen angestarrt!

Merkwürdigerweise ist jeder einzelne Schädel mit einem Namen beschriftet – einer heißt Falkenstein, ein anderer Magon, viele Namen sind aber auch unlesbar. Was die Namen bedeuten, weiß man bis heute nicht: Vielleicht ein makaberer Spaß der Schüler (oder der Lehrer)? Direkt neben der Totenkopftafel fällt unser Blick auf die armen Seelen im Fegefeuer, ein farbig gefasstes Holzrelief vom Villinger Bildhauer Hans Amann aus dem Jahr 1617.

Hans Amann: Seelen im Fegefeuer, 1617, Franziskanermuseum

Am 2. November feiert die römisch-katholische Kirche das Fest Allerseelen, an dem für die Seelen im Fegefeuer gebetet wird. Dadurch sollte ihre Zeit in der Vorhölle verkürzt werden, die im Gegensatz zur ewigen Hölle nur eine „Zwischenstation“ für Sünder war, die nach einer gewissen Zeit doch noch in den Himmel eingehen durften. Doch nicht nur durch Gebete konnte man die Zeit im Fegefeuer verkürzen, in manchen Regionen rettete man die Verstorbenen sogar mit Kuchen. In England und Irland war es bis ins 19. Jahrhundert Brauch, in den Nächten vor Allerheiligen und Allerseelen von Haus zu Haus zu gehen und süßes Gebäck zu verkaufen, sogenannte Seelenküchlein (soul cakes). Für jeden verkauften Kuchen sollte eine Seele aus dem Fegefeuer gerettet werden. Auf diesen Brauch geht wahrscheinlich das Betteln nach Süßigkeiten an Halloween zurück. Moment, Betteln nach Süßigkeiten, kennen wir das in Villingen nicht auch von einem anderen Brauch? Lasst uns einen Stock höher gehen…

Fastnachtsabteilung im Franziskanermuseum (Foto: Michael Kienzler)

Wir sind nun in der Fastnachtsabteilung angekommen. Zwischen der Fastnacht und Halloween gibt es einige auffallende Ähnlichkeiten: Beides sind Verkleidungsbräuche, bei beiden beschenkt man sich gerne mit Süßigkeiten, und hier wie da tauchen schauerliche Figuren wie Hexen und Teufel auf. Nur die Jahreszeit ist eine völlig andere. Halloween steht am Beginn, Fastnacht am Ende der Winterzeit. Oft wird behauptet, mit den Häsern und den lärmenden Rollen (Schellen) sollte der Winter vertrieben werden, doch dieser Mythos kann als widerlegt gelten. Auch hier dominieren vielmehr Vorstellungen aus dem christlichen Mittelalter: Der Narr ist ein Gottesleugner, der Teufel steht für die Verführungen des irdischen Lebens, der Esel für die Triebhaftigkeit. Fastnacht liegt zwischen zwei Welten, nämlich der des irdischen, flüchtigen Lebens voller Versuchungen und Verfehlungen, und der des ewigen, jenseitigen Lebens im Schoße Gottes (eine Idee, die Augustinus in seinem Werk „De civitate dei“ am prägnantesten darstellte).

Woher der Verkleidungsbrauch an Halloween stammt, weiß man hingegen nicht so genau. Im Volksglauben gab es immer wieder solche „Grenztage“, an denen die Übergänge zwischen der Welt der Lebenden und jener der Toten fließend waren. Mit Halloween verband man vielfach die Vorstellung von rachsüchtigen Toten, die noch einmal die Möglichkeit hatten, es den Lebenden heimzuzahlen – manche Sagen berichten sogar von singenden und tanzenden Toten, die in einem Festzug durch die Straßen ziehen, ganz ähnlich wie in der Fastnacht. Verkleidete man sich, um nicht erkannt zu werden? Um die Gespenster abzuschrecken, so wie die Fratze, die wir unten im Kreuzgang gesehen haben? Wahrscheinlicher ist, dass auch hier christliche Vorstellungen eine Rolle spielen: Der Totenumzug ist ein klassisches Symbol des „Memento mori“ („Gedenke, dass du sterben musst“) und zum Beispiel aus zahlreichen Darstellungen von Totentänzen bekannt (einer der schönsten unserer Gegend ist in der Kapelle von Bleibach im Schwarzwald zu sehen). Ihr erinnert euch an die Totenköpfe auf der Theaterkulisse?

So viel Christentum in Halloween! Aber heißt es nicht immer, das sei ein keltisches Fest? Naja – in Sachen Kelten kennen wir uns hier in Villingen ja bestens aus. Gehen wir doch mal eben rüber in die Abteilung zum Keltischen Fürstengrab Magdalenenberg…

Keltisches Fürstengrab Magdalenenberg während der Lichternacht 2018

Der Magdalenenberg mit einem Alter von etwa 2600 Jahren ist der größte keltische Grabhügel Mitteleuropas. In diesem Hügel befand sich die Grabkammer eines Keltenfürsten, die hier im Original ausgestellt ist. Nachdem die Kelten fortgegangen waren, geriet die Bedeutung des Hügels in Vergessenheit und man begann sich alle möglichen Geschichten über ihn zu erzählen. Während der Hexenverfolgung erzählte eine der Angeklagten, die Frau des Schweinegerbers, dass sie auf der Spitze des Magdalenenbergs den Teufel in Gestalt eines jungen Mannes mit dem Namen Käsperlin getroffen hätte. Seitdem galt der Hügel als so etwas wie der Villinger Blocksberg, ein verwunschener, unheimlicher Ort. Niemand ahnte, dass er tatsächlich eine uralte Grablege war, bis er von Archäologen im Jahr 1890 erstmals ausgegraben wurde.

Von Halloween wird oft gesagt, dass es ebenfalls aus der Zeit der Kelten stamme. Diese hätten angeblich zum Sommerende „Samhain“ gefeiert, an dem die Tore zur „Anderswelt“, der Welt der Feen und Geister, offen standen. Die Behauptung geht zurück auf den Religionsethnologen James Frazer („The Golden Bough“, 1922) und klingt zunächst sehr plausbel. Tatsächlich kommt Halloween ursprünglich aus dem stark keltisch geprägten Irland und gelangte über Auswanderer in die USA, von dort zurück nach Europa. Es gibt allerdings keinen Beweis dafür, dass die beiden Feste Halloween und Samhain wirklich etwas miteinander zu tun haben. Mehr noch: Das Fest Samhain ist nur im gälischen Siedlungsgebiet auf den britischen Inseln sicher nachgewiesen, und wie alt es ist und wann es ursprünglich gefeiert wurde, ist völlig unbekannt. Irland zählt zu den am frühesten christianisierten Ländern Europas, und immer wieder besann man sich im Zuge von „celtic revivals“ auf die eigenen keltischen Wurzeln, obwohl deren Einflüsse vom neuen Glauben schnell verwischt wurden. Die frühesten Quellen zu Halloween stammen jedenfalls aus dem Mittelalter und dessen Bräuche lassen sich auch ganz ohne Kelten erklären.

Amulette aus den Nachbestattungen im Magdalenenberg, Franziskanermuseum

An böse Geister glaubten die Kelten aber tatsächlich. Hier sehen wir einige Fundstücke aus den Nachbestattungen im Magdalenenberg, die weder einen praktischen Zweck besaßen, noch als Schmuck geeignet waren: Es handelt sich wohl um Amulette. Auffällig ist, dass solche Amulette besonders oft in frühkeltischen Gräbern gefunden werden, die durch Merkwürdigkeiten auffallen: Die Toten liegen oft in einer seltsamen Position oder ihnen fehlen Körperteile. Glaubte man an „Wiedergänger“, die aus dem Reich der Toten zurückkehren und die Lebenden heimsuchen konnten? Wollte man sich davor mit den Amuletten schützen?

Wir machen wieder einen zeitlichen Sprung nach vorne und begeben uns einen Stockwerk höher, in die Schwarzwaldsammlung.

Schwarzwaldsammlung, Franziskanermuseum (Foto: visual-artwork)

Der Glaube an Geister, Gespenster und Untote war durch alle Epochen hinweg verbreitet. Hier in Villingen erzählte man sich noch im vergangenen Jahrhundert, dass sich im obersten Stockwerk des ehemaligen Gasthauses Sonne ein Mann erhängt habe, der seitdem als Geist umherspuken soll. Angeblich seien die Räume bis heute unbewohnt…

Den Aberglauben der Menschen konnten sich Scherzbolde unde Bösewichte zunutze machen, wie uns eine weitere Anekdote aus Villingen lehr: Vor gut 200 Jahren soll eine Räuberbande unterwegs gewesen sein, die eine ganz besondere Masche hatte, um in die Häuser der ahnungslosen Bürger einzubrechen. Die Räuber zogen sich alte Bettlaken über, setzten sich eine Laterne auf den Kopf und verkleideten sich auf diese Weise als Gespenster. Dann klopften sie an die Türen, warteten, bis man ihnen öffnete, und fielen mit Geheul über die armen Leute her. Die waren so überrumpelt, dass sie davonliefen und den Räubern alle Zeit der Welt ließen, um die Häuser zu plündern. Die Räuber wurden später erwischt und zur Strafe in den Kerker geworfen.

Zum Ende unseres kleinen Rundgangs erwarten uns einige Kürbisgeister, die natürlich ein ganz wichtiger Teil von Halloween sind und die heute jedes Kind kennt.

Die modernen Nachfahren der Rübengeister: Jack O’Lanterns

Zwar kannte man Halloween hierzulande bis vor wenigen Jahrzehnten gar nicht. Aber auch bei uns schnitzte man traditionell solche Geister aus Gemüse, zwar nicht aus Kürbissen, aber aus Futterrüben. Rüben waren bis weit in die Neuzeit hinein ein wichtiger Teil der Grundernährung, und beim letzten Einbringen der Feldfrüchte im November wurden manche davon an die Kinder verschenkt, die sie mit lustigen oder schaurigen Gesichtern versahen. Der Brauch hat sich vielerorts gehalten – und erfährt paradoxerweise gerade durch Halloween ein „Revival“! In manchen Gegenden, so etwa in Richterswil am Zürichsee („Räbechilbi“), werden die Lichter an Stöcken aufgehängt und mit Gesängen durch die Straßen getragen.

Was können wir im Franziskanermuseum also über Halloween erfahren? Das Fest ist sehr alt, aber ob es (oder eine Vorform davon) schon zur Zeit der Kelten gefeiert wurde, ist fragwürdig. Sicher ist, dass es in engem Zusammenhang mit den christlichen Festen Allerheiligen und Allerseelen steht und die Themen Tod und ewiges Leben im Sinne des „Memento mori“, einer Erinnerung an die Sterblichkeit des Leibes, aufgreift. Das Schnitzen von Kürbisgeistern geht auf den Erntedankbrauch der Rübengeister zurück und vermischte sich erst später mit Halloween, vor allem in Amerika, wo die leichter zu schnitzenden Kürbisse in großer Zahl verfügbar waren. Und das Betteln nach Süßigkeiten ist ein klassischer Heischebrauch, der vielleicht auf kleine Seelenküchlein zurückgeht, mit denen man die Seelen im Fegefeuer retten wollte (ein cleverer Verkaufsgag). Halloween, wie wir es kennen, entstand zuerst in Irland und gelangte mit den irischen Einwanderern nach Amerika. Von dort kam es dann vor einigen Jahrzehnten wieder zu uns. So drücken sich in einem „neuen“ Fest uralte Ideen aus.