Mein Name ist Amelie Heißel und ich habe von September 2021 bis August 2022 ein FSJ in der Restaurierungsabteilung der Städtischen Museen Villingen-Schwenningen gemacht. Das erste praktische Werkstattobjekt war ein Bild auf hölzernem Träger. Ich bekam eine Tafel mit kleinen Rundbildern zur Untersuchung und Bearbeitung. Da das Objekt weder einen Titel noch eine Inventarnummer hatte, vermuteten wir nichts außergewöhnliches oder Spannendes, was über die Tafel herauszufinden sein könnte, ging es doch in erster Linie um den technologischen Aufbau und das Schadensbild. Doch nach den ersten Betrachtungen stellte sich relativ schnell heraus, dass die Form, wie die 15 Rundtäfelchen heute präsentiert werden, nicht die ursprüngliche sein kann. Es begann sich eine spannende Geschichte zu entwickeln, von der ich hier erzählen möchte.
Aber zunächst einmal zum Aufbau des Objekts:
Es handelt sich um eine vorderseitig schwarz gefasste Holzplatte, auf die ein an der Außen- und Innenkante profilierter rechteckigen Zierrahmen montiert wurde. In die Holzplatte sind 15 Holzrundtäfelchen vertieft eingesetzt. Diese sind in drei Reihen zu je fünf Stück auf der Tafel angeordnet, welche durch acht silberfarbene Zierelemente aus Metall in den Feldern zwischen den Täfelchen zusätzlich verziert werden. Der Rahmen und die Bildfläche jedes einzelnen Tondo sind jeweils aus einem einzigen Holzstück gedrechselt, wobei der Rahmen schlicht mit einem einfachen Profil gestaltet und vergoldet ist. Die Täfelchen sind auf der Vorderseite dünn weiß grundiert und mit einer deckenden ölhaltigen Mischtechnik bemalt. Über der Bemalung liegt ein Oberflächenüberzug.
Die Tondi zeigen christliche Motive, die in der Abfolge das Marienleben mit integriertem Christuszyklus darstellen. Die Darstellung beginnt mit der Szene der Verkündigung des Herrn und endet mit der Krönung Marias durch die Dreifaltigkeit.
Ein ganz besonderes Erinnerungsstück
Vergleichsbeispiele zu dieser Art der Darstellung von Marien- oder Christuszyklen konnten nicht gefunden werden, und schnell war klar, dass der heutige Präsentationszusammenhang nicht der ursprüngliche gewesen sein kann. Die Rundtäfelchen lassen sich in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts bzw. den Anfang des 18. Jahrhunderts datieren, während die Platte und der Rahmen vermutlich erst um das Jahr 1885 entstanden sind. Das Jahr 1885 geht aus der Inschrift auf der Rückseite hervor: „Katherina Förderer, geb. Brunner +16.Okt.1885“. Bei dem Datum handelt es sich also um das Sterbedatum von Katherina Förderer. Daraus kann man schließen, dass die uns heute vorliegende Präsentationsform als Gedenktafel für die Verstorbene angefertigt wurde. Nun hat der Name Förderer in Villingen eine besondere Bedeutung: so war Ferdinand Förderer, Verlagsbuchhändler und Stadtrat, einer der Begründer der städtischen Altertümersammlung, aus welcher die heutige Stadtgeschichtliche Sammlung im Franziskanermuseum hervorgegangen ist. Die Gedenktafel erinnert an seine Frau Katherina Förderer.
Es lässt sich heute natürlich nicht genau sagen, mit welcher Intention das Sterbedatum von Katherina Förderer so groß auf die Rückseite der Tafel gemalt wurde. War es nur zu privaten Zwecken gedacht, als persönliche Gedenktafel, die der Familie sehr wichtig war? Oder wurde die Altertümersammlung, an die die Tafel überging, bewusst genutzt, um ein Memorium zu erschaffen? Egal welcher Gedanke der Tafel zugrunde liegt – dadurch, dass sich die Tafel heute im Franziskanermuseum befindet, bleibt diese Information erhalten.
Eine weitere Frage konnte jedoch nicht geklärt werden: Woher kommen die 15 Rundtäfelchen ursprünglich? Mit großer Wahrscheinlichkeit haben sie zu einem kirchlichen Objekt gehört, zum Beispiel als Perlen einer Rosenkranzdarstellung um eine Skulptur herum oder ähnlichem. Unwahrscheinlich ist, dass es sich bei den 15 Täfelchen um den gesamten Bestand handelt, da zentrale Szenen fehlen, während unwichtigere vorhanden sind. So fehlt zum Beispiel die Anbetung der Hirten und der heiligen drei Könige oder auch das Abendmahl. Ebenso ist die Zuordnung zu einem Maler nicht eindeutig. Eine gewisse Ähnlichkeit besteht zu Werken des Rottweiler Malers Johann Achert, vor allem, was die Ausführung von Händen betrifft.
Die Spuren der Zeit
Im Laufe der Zeit verändern sich Kunstobjekte. Vor allem die Umgebungsbedingungen, denen ein Objekt ausgesetzt ist, hinterlassen Spuren. Durch Herstellungsbedingungen, schwankende Luftfeuchtigkeit und Temperatur entstehen Schäden, die zum Teil nicht mehr rückgängig zu machen sind. Leider war auch die Gedenktafel mit den Tondi nicht immer nur optimalen Bedingungen ausgesetzt. Das Material und die Verarbeitung für die Fördersche Tafel sind zudem von geringer Qualität.
Die schlechte Holzauswahl und Fehler in der Verleimung (Splint an Splint) führte zu Spannungen im Holz, die sich durch Einläufer (Risse) und Verwölbung der Tafel sichtbar machen. Aber auch die kleinen Holztafeln der Tondi weisen eine deutliche Verformung auf, sie sind in sich verdreht. Durch die Bewegung des Holzes sind außerdem an einigen Rahmen Einläufer im Verlauf der Holzstruktur entstanden. Da die Verwölbungen irreversibel sind, kann nur eine konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit gewährleisten, dass die Verformungen nicht noch stärker werden.
An den letzten zwei Rundtafeln sind durch mechanische Krafteinwirkungen (Stoß) kleine Stücke vom Holzrahmen abgebrochen. Die Fehlstellen sind etwas mehr als 2 cm lang und bilden eine unschöne Lücke.
Die Bemalung der Täfelchen ist weitgehend gut erhalten. Lediglich an vier Bildern lag ein minimaler Fassungsverlust vor. An der Tafel Nummer 13, die das Pfingstereignis zeigt, war dieser Schaden am größten. Hier waren Fehlstellen vorhanden und etliche Farbschollen hatten sich dachförmig aufgestellt, da die Haftung zwischen dem Malgrund und dem Träger verlorengegangen war.
Die Vergoldung der Rahmen wurde vermutlich an einigen Stellen nachträglich erneuert. Dies zeigt sich entlang der Kanten von Fehlstellen in der Sichtfassung. So sind an einigen Täfelchen die Vergoldungsschichten viel dicker als an andern. Außerdem kann man an einigen Kanten sehen, dass unter der letzten Vergoldung noch eine weitere mit einem anderen Glanz liegt. Über die Vergoldung wurde nachträglich noch eine Bronzierung gelegt, weshalb die Rahmen matt und stellenweise auch vergraut sind, da Bronzen als Goldersatzpigmente oft chemisch nicht stabil sind und vergrünen.
Die Restaurierung
Zunächst habe ich das Objekt gereinigt. Dabei wurde der lose Staub mit einem Pinsel abgefegt und mit einem Museumsstaubsauger mit speziellem Hepafilter eingesaugt. Anschließend wurden die Bildflächen mit Wasser und Gallseife auf Wattestäbchen abgerollt. Der Reinigungseffekt war in einer leichten Vergrauung der Wattestäbchen zu beobachten, jedoch auf der Bildoberfläche kaum sichtbar. Die vergoldeten Rahmen, die schwarze Holzplatte und die nicht bronzierten Partien des Zierrahmens wurden nur mit destilliertem Wasser abgerollt, wobei ein deutlicher Reinigungseffekt zu sehen war. Um gelockerte und möglicherweise gefährdete Stellen zu festigen, habe ich Störleim unter die losen Partien und an die Kanten der Lücken aufgetragen. Alle behandelten Stellen wurden nach dem Trocknen mit einem Heizspachtel erwärmt, um die Malschicht flexibel zu machen. Mit leichtem Druck konnte ich die Stellen dann wieder mit dem Untergrund verkleben.
Mit einem Kreidegrund aus Rinderhautleim, Bologneser- und Champagnerkreide wurden die Fehlstellen gekittet, um sie an die originale Umgebungsoberfläche anzupassen. Die zwei großen Fehlstellen mit den abgebrochenen Holzteilen an den Rahmen von Tafel 14 und 15 wurden nicht komplett mit Kreidegrund aufgefüllt, da durch die Tiefe der Fehlstellen ein zu großer Schwund des Kitts entstanden wären und sich Risse gebildet hätten. Stattdessen habe ich kleine Ergänzungen aus Balsaholz geschnitzt und die Stellen damit zunächst ausgefüllt. Zur Haftungsvermittlung zwischen den Balsaergänzungen und dem Kreidegrund wurde die Oberfläche des Balsaholzes mit Störleim eigelassen. Danach konnte ich die Stellen kitten, um sie an die umgebenden Flächen anzupassen.
Nachdem die Kittungen mit feinem Schleifpapier ganz glattgeschliffen waren, habe ich sie dünn mit Blätterschellack isoliert. Auf die Fehlstellen an den Rahmen habe ich dann zunächst eine lasierende Schicht eines rot-orangenen Bolustones als Golduntergrund aus Aquarellfarben aufgetragen. Dadurch soll der originale Schichtaufbau einer Vergoldung imitiert werden. Anschließend wurden die Fehlstellen mit einer Mischung aus Aquarellfarben und Bronze-Ersatz-Pigmenten retuschiert. Um die Struktur an den Rahmen zu imitieren, habe ich einige retuschierte Flächen mit dünnen Bleistiftlinien ergänzt. Die Fehlstellen auf den Bildflächen wurden mit Aquarellfarben und Deckweiß retuschiert. Da einige der ergänzten Stellen einen matteren Glanz hatten als die originale Bemalung, habe ich auf diese eine dünne Schicht Dammarfirnis aufgetragen.
Durch die Restaurierung wirkt das Erscheinungsbild im Ganzen einheitlicher und vollständiger. Das Objekt zeigt wieder eine Farbigkeit, die vorher durch die Grauschleier nicht mehr wahrnehmbar war. Außerdem wurde der Originalbestand gesichert.
Für mich war die Auseinandersetzung mit der Gedenktafel eine bereichernde Erfahrung, bei der ich sehr viel lernen konnte. Natürlich würde ich am liebsten in die Vergangenheit reisen, um zu erfahren, wo die Tondi herkommen, wer sie gemalt hat und wieso sie schließlich in privater Hand gelandet sind. Außerdem würde ich gerne wissen, welche Bedeutung die Gedenktafel für die Familie Förderer hatte und aus welchem Grund ausgerechnet die Tondi für die Gedenktafel gewählt wurden. Aber über all diese Fragen können wir heute nur spekulieren.
Schön ist, dass durch die Arbeit an solchen Werkstattobjekten auch Museumsbestände aus dem Depot, die sonst wenig Beachtung finden, einmal im Rampenlicht stehen dürfen.