Das Uhrenindustriemuseum sammelt seit seinen frühesten Anfängen Maschinen. Heute kommen allerdings kaum mehr solche Objekte in die mittlerweile reichen Bestände des Museums. Umso schöner, wenn, wie im vorliegenden Fall, doch noch eine Lücke geschlossen werden kann. Eine Schenkung der Firma Hattler & Sohn hat dies möglich gemacht. Vor fast 100 Jahren gründete Philipp Hattler eine galvanische Anstalt in Schwenningen. Bis heute widmet sich Hattler & Sohn, seit 1973 von Kurt Hattler geführt, der Oberflächenveredelung.

Firma Hattler & Sohn, Bergstraße, Stadtbezirk Schwenningen (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Wie unschwer zu erraten ist, waren die von der Firma Hattler zu veredelnden Oberflächen lange Zeit solche von Uhrenteilen. Die letzten Produkte dieser speziellen Art, die bei Hattler veredelt wurden, bildeten Gongstäbe für Großuhren. Diese mussten zum Schutz ihrer metallenen Oberfläche mit Zaponlack lackiert werden. Hier kommt nun die Neuerwerbung des Uhrenindustriemuseums ins Spiel. Es handelt sich um einen sogenannten Tauchlackierapparat. Er war wohl um 1960 erstmals im Unternehmen Hattler im Einsatz. Die Oberflächenveredelung stellte einen klassischen Zulieferbereich dar, der sich seit dem Niedergang der Uhrenindustrie hin zu diversen anderen Produkten, z.B. auch aus dem Bereich Automotive weiterentwickelt hat.

Das mechanische Herzstück des Tauchlackierapparats ist ein Räderwerk, das an den Turmuhrenbau gemahnt. Christian Borck, Turmuhrfachmann der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie e.V. vermutet denn auch, daß es sich um ein Produkt der Nürnberger Turmuhrenfabrik Lorenz Förster handelt. Diese renommierte Firma stellte neben Turmuhren auch Tauchlackierapparate her, die individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden zugeschnitten waren. Wie ist aber nun ein solch seltener und merkwürdiger Apparat genau aufgebaut? Das massive Räderwerk sitzt in einem Metallrahmen und ist mit einer Handkurbel ausgestattet. Es vermittelt zwischen einem Gewicht (Zylinder, gefüllt mit Metallkugeln) und dem zu tauchenden Lackiergut über zwei gegenläufig an der Achse des großen Zahnrads aufgelegte Drahtseile, die über zwei Umlenkrollen laufen (die an der Raumdecke angebracht sind).

Räderwerk Tauchlackierapparat (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Die Gegenläufigkeit ist wichtig zum Aufziehen bzw. Ablaufen lassen des Werks und bei Turmuhren laut C. Borck sehr selten. Eine Luftbremse (auch Windfang genannt) mit verstellbaren Flügeln zur Feinjustierung des Luftwiderstands und damit der Ablaufgeschwindigkeit ist ebenfalls mit dem Räderwerk gekoppelt. Mit einem Handhebel können zwei Geschwindigkeitsstufen eingestellt werden.

Luftbremse Tauchlackierapparat in Firma Hattler & Sohn (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Das offene Werk im Metallrahmen ist über vier Verstrebungen an der Wand verschraubt. Zum hattlerschen Apparat gehören noch ein metallenes Abtropfgitter für Gongstäbe sowie ein Lackbehälter. Die Aufhängung für Materialhalter (zur Befestigung an dem metallenen Ausleger des Lackierapparates, der dick mit Lackablagerungen überzogen ist) fehlt leider.

Ausleger Tauchlackierapparat (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Der Antrieb erfolgt rein mechanisch mittels Handaufzug und Gewicht. Die Verwendung eines solchen manuell-mechanischen Antriebs verringerte die große Explosionsgefahr in der Lackiererei, die durch Funkenbildung bei Verwendung von Elektromotoren durch entzündliche Dämpfe (Lacke, Verdünnungsmittel etc.) in der Luft gegeben gewesen wäre.

Vormaliger Standort des Tauchlackierapparates in der Firma Hattler & Sohn (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Der Apparat wurde also bei Hattler & Sohn dazu verwendet, Teile (zuletzt Gongstäbe für Großuhren, zuvor diverse Arten von Uhrenteilen) mit Messinglack bzw. Zaponlack zu lackieren. Pro Tauchgang konnten z.B. 200 bis 400 Stück Gongstäbe lackiert werden.

2 Gongstabeinheiten für Großuhren (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Ganz entscheidend beim Vorgang des Tauchlackierens ist der Ablauf vor allem des Herausziehens nach dem Tauchen in einer je nach Lackiergut bzw. Viskosität des Lacks individuell einzustellenden konstanten Geschwindigkeit. Die angepasste Geschwindigkeit des Herausziehens verhinderte die Bildung von Ungleichmäßigkeiten des Lackauftrags. Die Arbeitsabläufe sahen folgendermaßen: Der Materialhalter wurde mit Lackiergut bestückt und mittels einer Aufhängung an dem (abnehmbaren) Ausleger des Apparates eingehängt. Das Gewicht wurde dann von Hand mit der Kurbel hochgezogen – gleichzeitig senkte sich das Lackiergut in den Lackierbehälter. Das Räderwerk wurde dann manuell durch einen Zapfen blockiert. Zum Herausziehen des Lackierguts wurde der Zapfen, der das Uhrwerk blockiert herausgezogen; das Gewicht senkte sich und hob das Lackiergut aus dem Behälter. Mittels der Luftbremse bzw. durch Wegnehmen oder Hinzufügen von Gewichtelementen aus dem Gewichtbehälter konnte die Geschwindigkeit erhöht oder verringert werden.

Tauchlackierapparat jetzt im Maschinensaal des Uhrenindustriemuseums (Foto: Uhrenindustriemuseum)

Der Apparat befindet sich noch in voll funktionsfähigem Zustand. Er war bis vor kurzem bei der Firma Hattler & Sohn in Betrieb. Seinen neuen Standort hat er nun im Maschinensaal des UIM gefunden. Er ergänzt den Produktionsbereich der Dauerausstellung sehr schön und soll den Besucherinnen und Besuchern künftig auch vorgeführt werden.