Unscheinbar, ja fast schüchtern steht es da, das kleine Gebäude zwischen Marktplatz und Bildackerstraße in Schwenningen. Sicher, es gibt spektakulärere Bauwerke und natürlich, es gibt geschichtsträchtigere Bauwerke, aber trotzdem sind es auch Kleinodien wie dieses, die einer Stadt ihren Charakter geben. Die Rede ist von dem rechteckigen Bau neben der alten Feuerwache an der Einfahrt in die Bildackerstraße, der vielen Bürgern wohl vor allem als Standort eines Parkscheinautomaten bekannt sein dürfte.

Kiosk und Bedürfnisanstalt, Marktplatz 7, VS-Schwenningen

Das Häuschen präsentiert sich recht merkwürdig: Ein halbrunder Bauteil ragt aus einem rechteckigen Körper und wird flankiert von zwei Eingängen. Die Fassade ist hochwertig aus Travertin-Bruchsteinen mit Haustein-Brüstungsplatte gemauert. Hinter der Konstruktion verbirgt sich eine architektonische Seltenheit, denn dieses Gebäude kombinierte zwei Funktionen: Es war zugleich Kiosk und öffentliche Toilette. Die beiden Seiteneingänge waren nach Geschlechtern getrennt, im Halbrund mit umlaufender Fensterfront befand sich der Verkaufsraum. Der Bautyp war zu Beginn des 20. Jahrhunderts populär, hat sich aber nur in wenigen Fällen erhalten – und das meist in Großstädten.

Errichtet wurde der einstöckige, 7,4 Meter lange und 4 Meter tiefe Bau im Jahr 1934 „für die Stadtgemeinde“ durch das  Stadtbauamt. 4500 Reichsmark kostete er damals, was nach heutiger Kaufkraft knapp 20.000 Euro entspräche. Obwohl in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht, waren die Funktionseinheiten strikt getrennt. Der Kiosk ließ sich nur von außen betreten und war durch eine dicke Trennwand vom dahinterliegenden Hauptraum abgegrenzt.

Grundriss der Bedürfnisanstalt (Amt für Archiv und Dokumentenmanagement)
Seitenansicht im Bauplan (Amt für Archiv und Dokumentenmanagement)

In dem kleinen Bau steckt viel Großstadt: Die Kiosk-Bedürfnisanstalt bezeugt den Einzug urbanen Lebensgefühls ins aufstrebende Schwenningen, das sich gerade zur Uhrenmetropole gewandelt hatte. Kein Wunder also, dass er heute unter Denkmalschutz steht. Die guten Materialien künden darüber hinaus von einem gewissen Wohlstand und Repräsentationsbedürfnis. Offenbar sollten Besucher der Stadt denken: Hoppla, wenn schon deren Toiletten so toll gebaut sind…